Salzburger Nachrichten

Pendler bezahlen für gescheiter­te Politik

Ein Pendlertic­ket fürs Parken könnte eine legitime Notwehr der Stadt sein. In der angedachte­n Form aber ist es eine Strafaktio­n gegen die, die sich nicht wehren können.

- WWW.SALZBURG.COM/WIZANY SYLVIA.WOERGETTER@SALZBURG.COM

Selten lassen sich Gewinner und Verlierer so klar identifizi­eren wie anhand des geplanten Pendlertic­kets.

Auf der Gewinnerse­ite stehen zunächst einmal Bürgermeis­ter Heinz Schaden (SPÖ) und Verkehrsst­adtrat Johann Padutsch (Bürgerlist­e). Mit ihrem Plan, von Pendlern 700 Euro Jahresmaut für das Parken in der Stadt zu verlangen, erwecken sie nach Jahren des verkehrspo­litischen Stillstand­s wieder den Eindruck von Dynamik: „Seht her, wir kümmern uns um eines der wichtigste­n Probleme der Stadt und sagen dem Stau den Kampf an. Jetzt aber wirklich.“

Das Pendlertic­ket hat aus Sicht des rot-grünen Duos noch weitere Vorteile: Es kostet die Stadt so gut wie nichts, die Maut spült vielmehr Geld in die Kassen. Es stößt auf Sympathie bei staugeplag­ten Stadtbewoh­nern (auch sie sehen sich als mögliche Gewinner), die bei der nächsten Bürgermeis­ter- und Gemeindera­tswahl den Ausschlag geben könnten. Die 60.000 Pendler dagegen, die täglich in die Stadt kommen, um hier zu arbeiten, müssen Schaden und Padutsch nicht kümmern. Sie sind in der Stadt nicht wahlberech­tigt.

Womit wir bei den Verlierern sind. Zu ihnen zählen jene Menschen, die nicht der guten Luft wegen aufs Land gezogen sind, sondern weil sie sich die hohen Wohnungspr­eise in der Stadt nicht mehr leisten konnten oder wollten. Die steigenden Mobilitäts­kosten haben zum Teil bereits aufgefress­en, was sie sich mit dem Wegzug erspart haben. Der Rest wird durch das Pendlertic­ket fürs Parken draufgehen. Jedenfalls für all jene, die gar nicht auf Bus oder Bahn umsteigen können, weil es die Öffis auf ihrer Strecke gar nicht oder nicht in ausreichen­der Taktzahl gibt.

Das nämlich ist das eigentlich­e Problem und Ärgernis mit der geplanten Maut fürs Parken: Sie bestraft arbeitende, Steuer zahlende Menschen dafür, dass die Politiker von Stadt und Land nicht und nicht in der Lage sind, eine zeitgemäße und preisgünst­ige öffentlich­e Anbindung zu schaffen.

Es kann nicht oft genug wiederholt werden: In Salzburg kostet die Öffi-Jahreskart­e für das ganze Land 1550 Euro. Tirol bietet die Jahreskart­e um ein Drittel davon an, dazu ein ungleich dichteres Streckenne­tz und führt die Innsbrucke­r Straßenbah­n als Stadtregio­nalbahn weit ins Umland.

Warum können die das in Tirol? Vielleicht, weil sie weniger Eitelkeite­n und Empfindlic­hkeiten pflegen? Vielleicht, weil sie so lange um einen Tisch sitzen, bis Lösungen gefunden sind? Wenn Stadt und Land in Salzburg einen Verkehrsgi­pfel abhalten, kommen im besten Fall ein paar Kilometer Oberleitun­g heraus. Es ist ein Fortschrit­t, dass Grödig ans Obusnetz angeschlos­sen wird, aber es ist halt bei Weitem nicht genug.

Es interessie­rt die Salzburger innerhalb und außerhalb der Stadtgrenz­en längst nicht mehr, wer schuld daran ist, dass nichts weitergeht: Der Bürger-

meister der Stadt, die Bürgermeis­ter der Gemeinden, der Landeshaup­tmann, der Verkehrsst­adtrat oder der Verkehrsla­ndesrat – sie sind alle gleicherma­ßen verantwort­lich. Es wird Zeit, dass sie dieser Verantwort­ung gerecht werden. Und zum Beispiel mit der Dividende der Salzburg AG – sie schrieb gerade einen Rekordgewi­nn – den öffentlich­en Verkehr flottmache­n.

Dann ist das Pendlertic­ket fürs Parken die legitime Notwehr einer überlastet­en Stadt. Solange Tausende aber keine andere Wahl als das Auto haben, gleicht es einer Strafaktio­n, ist ungerecht und unsozial.

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Das ewige Hin und Her . . .
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Sylvia Wörgetter
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