Salzburger Nachrichten

Traumatisi­ert nach brutalem Kidnapping

Das Imperium schlägt zurück: Nach vielen nordischen Hits kommt wieder ein britischer TV-Reißer heraus, der aber in Frankreich spielt.

- PIERRE A. WALLNÖFER

SALZBURG. Eine Urlaubsrei­se wird zum Albtraum: Das britische Ehepaar Tony und Emily Hughes fährt mit seinem fünfjährig­en Sohn Oliver durch das ländliche Frankreich. Als das Auto schlappmac­ht, müssen die drei in dem Dorf Chalons du Bois Quartier nehmen. Es ist die Zeit der Fußball-WM – und in einer Menschentr­aube vor einer Fernsehübe­rtragung verschwind­et der kleine Oliver – spurlos.

In drei Zeitebenen, zwischen denen die Regie in den vier Doppelepis­oden häufig wechselt, entfaltet sich all die Ratlosigke­it und Verzweiflu­ng angesichts der offensicht­lichen Entführung.

2006 geschieht das Unfassbare. Der Bub verschwind­et wie vom Erdboden. Tony und Emily sind am Boden zerstört, klammern sich aber an jede Hoffnung.

2009 wird wieder ein Bub vermisst, im gleichen Alter wie Oliver. Handelt es sich womöglich um einen Serientäte­r?

2014 setzt die Handlung der TVReihe ein, als Olivers Vater in den kleinen Ort zurückkehr­t und der Fall in Rückblende­n aufgerollt wird.

Die französisc­he Polizei ist ebenso ratlos wie die Eltern, die sich nur auf den berühmten Kommissar Julien Baptiste verlassen können. Er scheint sich des Falls leidenscha­ftlich anzunehmen – und ist auch 2014 wieder zur Stelle, als es eine dünne neue Spur gibt. Sie rechtferti­gt noch einen Versuch, Licht in das Dunkel zu bringen. Lebt Oliver vielleicht noch? Nach einer jahrelange­n Flut an nordischen Kriminalre­ihen, beginnend bei „Wallander“, über „Kommissar Beck“und „Kommissari­n Lund“bis zur Trilogie „Die Brücke“, schlägt nun das Imperium der britischen Sender zurück, um das lang souverän beherrscht­e Territoriu­m des Hochglanzt­hrillers im Fernsehen zurückzuer­obern. Begonnen hatte alles mit „Heißer Verdacht“(1991 bis 2006, auf dem Privatsend­er ITV) und Helen Mirren als Kommissari­n Jane Tennison in Fällen, die vor Kurzem von Servus TV wiederholt wurden. Ferner „Hautnah – Die Methode Hill“(ITV) nach Romanen von Val McDermid (ITV, 2002–2008). Jüngere Reihen sind „The Fall“(BBC, seit 2013) und „Fortitude“(Sky).

„The Missing“gibt der Spannung durch die Wechsel der Zeitebenen Raum, verstärkt durch kühne Wendungen, die Sein und Schein mancher Protagonis­ten entlarven.

Die Hauptrolle­n sind prägnant und überzeugen­d besetzt:

James Nesbitt verkörpert den Vater Tony, der durch den Verlust auch 2014 noch traumatisi­ert ist.

Frances O’Connor spielt die Mutter Emily, 2006 mit blondem Haar, 2014 brünett, wodurch die grenzwerti­gen Unschärfen im Zeitwechse­l weniger auffallen. Emily verkraftet das Verschwind­en ihres Kindes nicht und ist 2014 mit einem anderen Mann zusammen.

Tchéky Karyo gibt den einsamen Kommissar, der den Fall als Erster bearbeitet hat und ihn später in seiner Pension immer noch verfolgt. Sein Part als zähe Spürnase ist besonders imposant. Fazit: Nüchtern erzählt, mit erfreulich wenig wackliger Handkamera – und einem plausiblen, spannenden Schluss.

Der Vierteiler „The Missing – Wo ist Oliver?“läuft ab Sonntag wöchentlic­h ab 22.05 im ZDF. The Missing gibt es auch schon auf zwei Blu-ray Discs, Company Television, 480 Min.

 ?? BILD: SN/ZDF UND LIAM DANIEL ?? Ein Bild aus besseren Tagen: Das Ehepaar Tony (James Nesbitt) und Emily Hughes (Frances O’Connor) urlaubt mit Sohn Oliver (Oliver Hunt) in Frankreich. Wenig später wird der fünfjährig­e Bub entführt.
BILD: SN/ZDF UND LIAM DANIEL Ein Bild aus besseren Tagen: Das Ehepaar Tony (James Nesbitt) und Emily Hughes (Frances O’Connor) urlaubt mit Sohn Oliver (Oliver Hunt) in Frankreich. Wenig später wird der fünfjährig­e Bub entführt.
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