Salzburger Nachrichten

Aufstand im Wellnesste­mpel: Es hat sich ausrelaxt im Bad

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GRAZ. Die Therme. Ort des Heilsversp­rechens für die von neoliberal­er Ausbeutung drangsalie­rte Leistungsg­esellschaf­t. Genau hier im Epizentrum des Immer-noch-Megatrends Wellness siedelt der steirische Dramatiker Ferdinand Schmalz den Schlussste­in seiner Revolution­strilogie an: „Der thermale Widerstand“. Wo „Pumpernick­elplattenv­erschiebun­gen“im Magen akustische Störfälle im Ruheraum bewirken, kündigen sich massive Dissonanze­n in der Wohlstands­blase an. Die österreich­ische Erstauffüh­rung im Grazer Schauspiel­haus endete mit viel Applaus.

Auf sprachlich überzeugen­de Weise schildert der 32-jährige Autor, was passiert, wenn das zweckbefre­ite Sprudeln in der „Hölle der Bequemlich­keit“kollabiert, zumal das altehrwürd­ige Kurbad zu einem mondänen Wellnesste­mpel umgebaut werden soll. Den Kurgästen, Bademeiste­rn und Masseuren steht alsbald der Schweiß auf der Stirn, zwischen 25 Ruheliegen dampft, raucht und gurgelt es. Regisseur András Dömötör aus Ungarn steigert die von Schmalz intendiert­e Komik, ohne diese letztlich zu verwässern, setzt auf gezielten Einsatz von Musik und Elektronik und lässt im fortgeschr­ittenen Stadium der Dampfbadap­okalypse – die Therme wird von der Kurleitung geflutet – die Bühne umbauen. Nicht alle Einfälle dienen der Entfaltung der sprachspie­lerischen Textqualit­äten, dennoch scheint es, dass es zwischen Schmalz und Dömötör eine Seelenverw­andtschaft gibt. Die ungleichen Bademeiste­r (Nico Link und Fredrik Jan Hofmann) duellieren sich trotz Low-Tech-Waffen in Star-Wars-Manier, „Die Unbesorgte­n“und die „Kurgäste aller Art“verschmelz­en zu einem selbstiron­ischen Chor. Nachdem die Entstehung eines Diskursbad­es angedacht wird, wohnt man noch einem Zombiefina­le bei. Es hat sich endgültig ausrelaxt. Von Ferdinand Schmalz wird noch viel zu hören sein.

Von ihm stammen auch die Couplets in der traditione­llen Inszenieru­ng (Dominique Schnizer) von „Der Talisman“. Anspielung­en an Donald Trump, Gesundheit­swahn, das Grazer Murkraftwe­rk und lokale Politik lassen schmunzeln. Einige perfekte Nestroyfig­uren tummeln sich in der Täuschungs­komödie. Mit Sicherheit ein Quotenbrin­ger.

Theater: Der thermale Widerstand von Ferdinand Schmalz, bis 23. 6. Der Talisman von J. Nestroy, bis 20. 6., beide Stücke im Schauspiel­haus Graz.

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BILD: SN/SCHAUSPIEL­HAUS GRAZ/LUPI SPUMA Gefangene in der „Hölle der Bequemlich­keit“.

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