Die Seele schmerzt fühlbar
Wenn es im Körper wehtut, muss das nicht organische Ursachen haben. Psychischer Stress kann auch Schmerzen auslösen. Allzu oft denkt aber an diesen Zusammenhang niemand.
SALZBURG. Wer etwa an Rückenschmerzen leidet, denkt zuerst an körperliche Ursachen. Was die meisten Betroffenen jedoch nicht wahrnehmen: Auch psychische Ursachen können eine wichtige Rolle spielen. Unter „Schmerz“versteht man eine unangenehme Empfindung, die mit einer Schädigung des Gewebes einhergehen kann – sie muss aber nicht immer in direktem Zusammenhang mit einer Verletzung oder einer Entzündung stehen. Walter Neubauer, Leiter des Departments für Psychosomatik für Erwachsene am Klinikum WelsGrieskirchen, weist darauf hin, dass „körperlich erlebte Schmerzen auch durch unverarbeitete schmerzhafte seelische Erlebnisse aus der Vergangenheit bedingt sein können“.
Schmerzmittel, Physiotherapie oder chirurgische Eingriffe bringen dann wenig Linderung. Wenn Menschen über lang anhaltende Schmerzen berichten, kann es hilfreich sein, sich ein Bild ihrer Lebenssituation zu machen. Schwerwiegende Konflikte am Arbeitsplatz, die Trennung vom Partner, ein Todesfall in der Familie, verleugnete Überforderung, Einsamkeit können körperliche Schmerzen verstärken oder sogar auslösen.
Bereits 1933 vermutete ein Psychoanalytiker, dass seelische Probleme Leiden verursachen. Der Körper ist dabei das Ventil der Psyche, um auf Leiden aufmerksam zu machen. Man spricht von „psychosomatischen“Beschwerden. Bekannt ist das unter anderem von Kindern, die über Bauchweh klagen, weil sie Probleme in der Schule haben. Die Betroffenen sind keine Simulanten, sie bilden sich nichts ein. Sie spüren die Schmerzen wirklich.
Die häufigste Ursache für chronische Schmerzen ist eine Kombination aus lang anhaltendem körperlichen, seelischen und sozialen Stress. Für mehr als 80 Prozent aller Rückenschmerzen sind Funktionsstörungen durch Dauerspannungen verantwortlich. Eine längere Phase körperlicher, psychischer oder sozialer Überbelastung löst die „Stress-Alarmanlage“im Körper aus. Daraufhin spannen sich beispielsweise alle Muskeln an. Dauerangespannte Muskeln verhärten und verkürzen sich. Erste Schmerzen können auftreten, zumeist im Bereich von Muskulatur oder Sehnenansätzen, Bindegewebe oder Knochenhaut. Schmerzen erhöhen die bestehende Muskelverspannung zusätzlich. Zudem verstärken die durch den Schmerz verursachten Einschränkungen im täglichen Leben Frust und Ärger, Angst und Mutlosigkeit. Diese Gefühlsstimmungen können den „inneren Stress“verstärken. Es ist ein Teufelskreis.
„Betroffene müssen wieder lernen, zwischen schmerzlichem Körpersignal und schmerzlichen Gefühlsreaktionen zu unterscheiden sowie ihre körperlichen, seelischen und sozialen Bedürfnisse zu erkennen. Unsere Patienten lernen dies im gemeinsamen Arbeiten in kleinen Schmerzbewältigungsgruppen“, sagt Walter Neubauer.