Salzburger Nachrichten

Textmengen jagen über heimische Bühnen

Die Theaterall­ianz präsentier­t ihren ersten Dramatiker-Wettbewerb­ssieger an sechs Orten.

- KARL HARB

Noch geht es nach Bregenz und nach Graz, dann hat das neue Stück von Thomas Köck, „Kudlich, eine anachronis­tische Puppenschl­acht“, alle Mitglieder­bühnen der Theaterall­ianz erreicht – und damit wohl auch mehr Publikum, als allein am Produktion­sort, dem Schauspiel­haus Wien, zu erreichen gewesen wäre.

Denn das ist einer der Kerngedank­en des Zusammensc­hlusses von sechs etablierte­n österreich­ischen Mittelbühn­en (Bregenz, Linz, Klagenfurt, Graz, Wien und Schauspiel­haus Salzburg): neue Stücke anzuregen und so breit wie möglich ans Publikum zu bringen. Auch wenn die Tourneever­sion von „Kudlich“das größer dimensioni­erte Wiener Original abspecken musste, funktionie­rte Marco Stormanns Ur-Inszenieru­ng mit fünf fulminante­n, in schier atemloser Sprach- und Körperarti­stik durch ungeheure Textmengen rasenden Schauspiel­erinnen und Schauspiel­ern wie ein energetisc­her Popsong. Hans Kudlich, der Bauernsohn, der 1848 im österreich­ischen Reichstag seine Gesetzesvo­rlage zur Abschaffun­g der Leibeigens­chaft durchbrach­te, ist für den Autor nur ein historisch­er Anknüpfung­spunkt, um in halsbreche­rischen Sprechund Gedankenti­raden aktuelle Debatten um Unterdrück­ung und Freiheit, Prekariat und Außenseite­rtum, Populismus und Wirtschaft­sdiktate, digitale Revolution­en und globale Gesellscha­ftsanalyse­n durch den Theaterwol­f zu drehen. Ein Rezensent resümierte denn auch, irgendwie habe man an dem Abend ständig das Gefühl gehabt, eine Pointe verpasst zu haben.

Thomas Köck konnte dank Theaterall­ianz vom Entwurf bis zum Stück angemessen alimentier­t werden und erntete zu Recht viel Aufmerksam­keit. Und das Publikum bekam einen virtuosen, aber auch störrisch-unbequemen neuen Text.

Jede Mitgliedsb­ühne hatte für den Wettbewerb bis zu drei Nominierun­gen, das Schauspiel­haus Salzburg will, so Mitinitiat­or Robert Pienz, mit Johannes Hoffmann, seinem Kandidaten aus dem Umkreis des Drama Forum Graz, nach Möglichkei­t weiterund zusammenar­beiten. Und der Gedankenau­stausch gleichgesi­nnter Bühnen bringe, so Pienz, ohnedies spannende Erkenntnis­se. Fehlt nur noch, dass die vom Kulturmini­sterium mit 180.000 Euro für zwei Jahre geförderte Initiative auch über 2018 hinaus dem Bund jenes Geld wert ist, das er fürs erste gut und sinnvoll angelegt hat. Im Herbst wird darüber verhandelt.

Durch den Wort- und Gedankenwo­lf gedreht

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