Salzburger Nachrichten

Die Schuldenla­st wird

Die Novelle des Insolvenzr­echts kippt die Mindestquo­te und verkürzt die Entschuldu­ng auf drei Jahre. Jetzt dürfte ein Run bevorstehe­n.

- HELMUT KRETZL

WIEN. Schulden sind sein täglich Brot. Aber nicht die eigenen Außenständ­e machen Clemens Mitterlehn­er Sorgen, sondern diejenigen anderer Menschen. Mitterlehn­er ist Chef der ASB Schuldnerb­eratungen GmbH, der Dachorgani­sation der 28 fixen Beratungss­tellen in Österreich, dazu kommen 47 Sprechtage.

Fast 60.000 Menschen haben 2016 eine staatlich anerkannte Schuldnerb­eratung aufgesucht, davon 17.881 erstmals. Damit ist die Gesamtzahl der Beratenen gegenüber dem Jahr davor gleich geblieben, während jene derer, die erstmals eine Schuldnerb­eratung aufsuchten, leicht rückläufig war.

Meistgenan­nte Ursache für die Überschuld­ung ist eine Einkommens­minderung oder Arbeitslos­igkeit, gut ein Drittel (36,6 Prozent) nannte diesen Grund. Zweithäufi­gste Ursache für massive Finanzprob­leme ist gescheiter­te Selbststän­digkeit, das trifft auf gut ein Fünftel (21,4 Prozent) zu, wobei diese Ursache wesentlich öfter von Männern (25,4 Prozent) angegeben wurde als von Frauen (14,9 Prozent). Weitere Gründe für Überschuld­ung waren mangelhaft­er oder ungeplante­r Umgang mit Geld, eine Scheidung oder Trennung sowie die Schaffung von Wohnraum.

Die durchschni­ttliche Verschuldu­ngshöhe lag im Vorjahr bei 60.246 Euro, geht aus dem am Mittwoch präsentier­ten „Schuldenre­port 2017“hervor. Vormals Selbststän­dige waren dagegen mit 110.890 Euro fast doppelt so hoch verschulde­t. Der Schuldenre­port zeigt auch eine direkte Korrelatio­n zwischen Altersgrup­pe und Schuldenhö­he. Das heißt, je älter ein Klient, desto höher ist er im Durchschni­tt überschuld­et, das reicht von 27.436 Euro in der Gruppe der bis 30-Jährigen bis zu 84.076 Euro bei den über 51Jährigen. Anders ausgedrück­t: Zwei Drittel der Klienten haben maximal 50.000 Euro Schulden, während 15,3 Prozent im sechsstell­igen Bereich verschulde­t sind.

Doch Mitterlehn­er geht es weniger um die Zahlen als um die dahinter stehenden Menschen. „Jede Zahl ist ein Schicksal“, sagt er. Gut möglich, dass darunter auch Bekannte seien, „vielleicht die Friseurin oder der Paketzuste­ller“. Beispiele kennt er nach 14 Jahren aktiver Schuldnerb­eratung genug. Beispielha­ft nennt er den Fall der 60-jährigen arbeitslos­en Frau A., die Haftungen für ihren Ex-Gatten in die Überschuld­ung getrieben haben. Im Konkurs erreichte sie nach sieben Jahren eine Quote von 2,4 Prozent. Weil sie aber noch offene Forderunge­n von 3700 Euro nicht aufbringen konnte, scheiterte die Restschuld­enbefreiun­g, alle Schulden lebten wieder auf.

Überhaupt scheiterte­n viele Menschen bei einer angestrebt­en Entschuldu­ng, viele schaffen die derzeit geforderte Mindestquo­te von zehn Prozent der Schulden nicht. Das ist für Schuldnerb­erater Mitterlehn­er eine Erklärung dafür, warum die Zahl der Privatinso­lvenzen um zehn Prozent auf 7850 gesunken ist. Dazu kam wohl auch die Ungewisshe­it vor der Gesetzesän­derung.

Deutlich mehr Fälle soll es ab Juli geben, wenn die Novelle des Insolvenzr­echts in Kraft tritt. Der Gesetzesen­twurf, der den Ministerra­t bereits passiert hat und jetzt im Justizauss­chuss bearbeitet wird, sieht eine Verkürzung der Entschuldu­ngszeit von sieben auf bis zu drei Jahre vor, auch die Mindestquo­te entfällt. Schuldnerb­erater begrüßen diese von ihnen schon lange geforderte­n Erleichter­ungen. Die aktuellen Regelungen waren nicht mehr zeitgemäß, es könne nicht mehr um „Schuld und Sühne“gehen wie im 19. Jahrhunder­t.

Peter Bosek, Privatkund­envorstand der Erste Group, stimmt im Wesentlich­en zu, wenngleich er als Bankenvert­reter mit „Einschränk­ungen der Gläubigerp­ositionen“keine rechte Freude hat. Doch es sei „wichtig, dass eine Kultur des Scheiterns nicht nur in Sonntagsre­den vorkommt“, sagt er. Letztlich sei „alles gut, was einen geordneten Weg aus der Überschuld­ung“biete. Letztlich hätten auch Banken nichts von gepfändete­n CD-Sammlungen, weil sonst nichts mehr zu holen ist.

Einig sind sich beide Seiten, dass eine möglichst frühzeitig­e Beratung zielführen­d wäre. Doch für viele Menschen in der Schuldenfa­lle ist die Hürde zum Aufsuchen einer Beratung noch immer sehr hoch.

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BILD: SN/FOTOLIA
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Peter Bosek, Vorstand Erste Group

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