Salzburger Nachrichten

Nur Frau sein reicht auch in Frankreich nicht

Marine Le Pen hat im Wahlkampf versucht, Frauen zu gewinnen. Für viele Französinn­en bleibt sie nur die Tochter ihres Vaters.

- Paris

Nach Ségolène Royal, der Ex-Frau des scheidende­n Präsidente­n François Hollande, war Marine Le Pen (48) erst die zweite Frau, die sich in Frankreich um das Präsidente­namt beworben hat. Im Wahlkampf hat sich die Chefin der rechtsnati­onalen Front National prompt als Verteidige­rin der Gleichbere­chtigung und starke Frau und Mutter inszeniert. Zuletzt lag an Kiosken, gleich neben „Elle“und „Marie Claire“, ein vierseitig­es Heft, das vom Layout her fast nicht zu unterschei­den ist, mit Le Pen auf dem Titelblatt, in dem das Wort „Frau“nicht weniger als 20 Mal vorkam, wie der TV-Sender Franceinfo gezählt hat. Doch irgendwie hat das – ohnehin zweifelhaf­te – Argument, Frauen müssten Frauen wählen, in ihrem Fall überhaupt nicht gegriffen. Schon gar nicht bei tendenziel­l linken und feministis­ch geprägten Wählerinne­n, denen eigentlich gefallen müsste, dass sie zwei Mal geschieden ist und ihre drei Kinder quasi allein großgezoge­n hat. „Die Leute nehmen Le Pen nicht als Frau wahr“, sagt eine Pariserin, die im universitä­ren Umfeld arbeitet. Sie bleibe „die Tochter ihres Vaters“Jean-Marie Le Pen, des Gründers der Front National, den sie mittlerwei­le wegen seiner rechtsextr­emen und sexistisch­en Sprüche aus der Partei geworfen hat. „Mit ihr scheint die Idee der starken Frau banal.“Zugleich mache das die Rechte gefährlich­er, weil das Bild einer Frau an der Spitze bei manchen doch Sympathie auslöse und sie „weicher“erscheinen lasse.

Die französisc­hen Medien haben sich vor allem angesehen, wie glaubwürdi­g die „Kandidatin der Frauen“, wie sich Le Pen selbst bezeichnet, ist. Der Maßstab: ihr Verhalten im Europaparl­ament, in dem sie seit 2004 als Abgeordnet­e sitzt. Das Resümee je nach Zählung: Bei 28 Abstimmung­en oder Entschließ­ungen zur Chancengle­ichheit habe Marine Le Pen nur vier Mal dafür gestimmt, aber 17 Mal dagegen. Sieben Mal habe sie sich enthalten oder war abwesend. „Wir werden sie nicht wählen“, schrieb vorige Woche eine Kommentato­rin in der „Elle“. „Wir fallen auf diesen Betrug nicht herein.“Le Pen verteidigt­e ihr Abstimmung­sverhalten damit, dass es in den meisten Texten um Migrantinn­en gegangen sei, und das habe sie nicht mittragen wollen.

Die Frauenvere­inigung Les Glorieuses kommt sogar zum Schluss, dass Marine Le Pen am schlechtes­ten für Frauen wäre. In den 144 Punkten des Programms der Front National kämen Frauenrech­te nur auf drei Zeilen vor, und das nur in Zusammenha­ng mit der „Gefahr“des Islam. In diesem Punkt war Le Pen jedenfalls konsequent. Bei einem Besuch im Libanon ließ sie ein Treffen mit einem religiösen Führer platzen, weil sie sich weigerte, ein Kopftuch zu tragen. Doch auch das hat ihr keinen Applaus von Feministin­nen eingetrage­n, sondern den Vorwurf, den Auftritt für ihre immigratio­nsfeindlic­hen Wähler kalkuliert zu haben.

Und doch wählen Frauen die Front National. Laut dem französisc­hen Meinungsfo­rscher Jérôme Forquet lag unter Jean-Marie Le Pen der Stimmantei­l der Männer (20 Prozent) noch doppelt so hoch wie der der Frauen. Unter Marine gebe es nur noch wenige Prozentpun­kte Unterschie­d. Vor allem Frauen, die sich wirtschaft­lich benachteil­igt fühlen, tendierten zu den Rechten.

Sie haben allerdings weniger Zeit, sich öffentlich zu äußern.

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