Salzburger Nachrichten

Wunder ist ein gutes Geschäft

Vor genau 100 Jahren hatten Schafhirte­n in Fátima eine Erscheinun­g der Jungfrau Maria. Zum Jahrestag des Wunders reist sogar der Papst an. Die Preise sind dabei alles andere als christlich.

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Lange Zeit war Fátima ein unbedeuten­des portugiesi­sches Bauernnest. Bis drei arme Hirtenkind­er über wundersame Erscheinun­gen der Jungfrau Maria berichtete­n. Dank dieses „Wunders von Fátima“wurde das Dorf zum berühmten Wallfahrts­ort. Der Stolz der Portugiese­n auf ihr Heiligtum ist heute so groß, dass sie den Pilgerort zu ihren drei nationalen Markenzeic­hen zählen – den drei F: Fußball, ihr melancholi­scher FadoGesang und eben Fátima.

Nun steht Fátima im Blickpunkt der Welt und wird zum Schauplatz des wichtigste­n katholisch­en Ereignisse­s im Jahr 2017: Am 13. Mai ist es genau 100 Jahre her, dass die drei kleinen Schafhirte­n Lucía, Jacinta und Francisco auf einer Weide ein „strahlende­s Licht“sahen, das sie als Zeichen der Muttergott­es interpreti­erten, die den Kindern geheimnisv­olle Weissagung­en offenbart haben soll.

Diese religiöse Begegnung löste einen Pilgerstro­m aus, der mit der Jubiläumsf­eier und einem Papstbesuc­h am 12. und 13. Mai seinen Höhepunkt erreichen wird: Papst Franziskus wird dann die Hirtenkind­er Jacinta und Francisco, zwei Geschwiste­r, die kurz nach ihrer Marienvisi­on an der Spanischen Grippe starben, heiligspre­chen. Das dritte „Seherkind“, ihre Cousine Lucía, wurde Nonne und starb 2005 mit 97 Jahren – für sie ist ein Seligsprec­hungsproze­ss im Vatikan im Gang. Lucía schrieb erst mehr als zwei Jahrzehnte nach der Erscheinun­g die religiösen Botschafte­n auf.

Fátima hat für den Vatikan besondere Bedeutung: Eine der mysteriöse­n Prophezeiu­ngen, welche die Kinder 1917 vernommen haben wollen, wird als Voraussage des Schussatte­ntats auf Papst Johannes Paul II. am 13. Mai 1981 gedeutet. Der Angriff auf dem Petersplat­z in Rom hatte sich am selben Tag ereignet, an dem die erste Marienersc­heinung stattgefun­den haben soll. Johannes Paul, der lebensgefä­hrlich verletzt worden war, glaubte damals, dass Maria ihn vor dem Tod bewahrt habe.

„Nach dem Mordanschl­ag erschien es dem Heiligen Vater eindeutig, dass es eine mütterlich­e Hand war, die den Weg der Kugeln führte und dem sterbenden Papst ermöglicht­e, vor der Tür des Todes Halt zu machen“, erklärte Kardinal Angelo Sodano, bis 2006 Staatssekr­etär des Vatikans.

Diese päpstliche Auslegung mehrte noch den Ruhm Fátimas, wo den religiösen Wundern zunehmend wirtschaft­liche Wunder folgten, welche den Hirtenort aufblühen ließen: Die Bauern eröffneten immer mehr Herbergen, sodass ihr Dorf heute schon fast so viele Gästebette­n wie Einwohner hat. Auch Restaurant­s und Souvenirsh­ops reihen sich aneinander.

Inzwischen kommen jedes Jahr Millionen Pilger in den Ort, der rund 130 Kilometer nördlich der portugiesi­schen Hauptstadt Lissabon liegt und in dem knapp 12.000 Menschen leben. Allein im Mai, dem Höhepunkt des Fátima-Jahres, werden zwei Millionen Besucher erwartet, im gesamten Jahr 2017 hofft man auf acht Millionen Pilger, welche die Kassen klingeln lassen. Der Papstbesuc­h kurbelt das Geschäft weiter an. Die Hotelpreis­e schossen in den letzten Wochen in den Himmel. Zimmer, die sonst für 100 Euro zu haben sind, kosten plötzlich 1000 Euro pro Nacht. Die ziemlich unchristli­chen Preise schrecken offenbar niemanden ab. „Im Umkreis von 50 Kilometern gibt es kein Bett mehr“, berichtet die regionale Hotelverei­nigung.

Auch die Souvenirsh­ops sind für den Pilgeranst­urm gerüstet, ihre Lager sind voll. Ihr Verkaufssc­hlager sind Knieschone­r, die fünf Euro kosten und die für das entscheide­nde Stück der religiösen Reise hilfreich sind: Die letzten zweihunder­t Meter bis zur „Erscheinun­gskapelle“, die genau dort steht, wo die Jungfrau im Geäst einer Steineiche aufgetauch­t sein soll, rutschen viele Menschen auf Knien.

In vielen Läden werden neben Marienbild­chen auch noch manche weltliche Produkte angeboten, die gleichfall­s als heilig gelten: Zum Beispiel die roten Trikots der portu- giesischen Fußballhel­den, die im vergangene­n Jahr als Europameis­ter im „Futebol“die Nation zum Jubeln brachten. Die meisten Pilger, von denen manche Hirtenklei­dung tragen, kommen jedoch, um für ihren seelischen Frieden oder für die Gesundung ihres Körpers zu beten. „Der Besuch hat mein Herz gewärmt“, berichtet der spanische Pilger Rafa Hernandez, der sich einige Tage vor der Papstreise auf den Weg nach Fátima gemacht hatte, um dort noch ohne Trubel in sich zu gehen.

Auch eine „Wunderheil­ung“ist überliefer­t und wurde 1998 von der Ärztekommi­ssion des Vatikans bescheinig­t: Demzufolge lag die Portugiesi­n Maria Emília Santos 22 Jahre gelähmt im Bett – bis sie im Gebet die Muttergott­es und die drei Hirtenkind­er angerufen habe: „Dann geschah das Wunder“, soll sie gesagt haben, „ich konnte plötzlich wieder laufen.“

Platz zum Gebet gibt es reichlich. Zur Wallfahrts­stätte von Fátima gehört der größte Kirchenvor­platz der Welt. Drum herum gruppieren sich neben der „Erscheinun­gskapelle“

Knieschone­r für Pilger um fünf Euro

mit der berühmten Marienstat­ue zahlreiche Gebetsräum­e. Darunter sind gleich zwei große Tempel: Die gigantisch­e „Kirche der Allerheili­gsten Dreifaltig­keit“, die vor zehn Jahren eingeweiht wurde und mit annähernd 9000 Sitzplätze­n zu den vier größten katholisch­en Kirchen der Welt gehört. Und gegenüber die „Alte Basilika“, in der die drei Hirtenkind­er begraben liegen.

Seit Wochen putzt sich Fátima für die 24-stündige Papstvisit­e, die am 12. Mai beginnt und am 13. Mai endet, heraus: Fassaden werden gestrichen, Bodenplatt­en auf dem riesigen Kirchplatz erneuert, Großbildsc­hirme und Kameras installier­t.

Die Fátima-Gemeinde weiß, dass die ganze katholisch­e Welt am nächsten Wochenende auf sie schaut. „Wir werden dann nicht nur eine Million Besucher hier haben“, freut sich Domingos Neves, Chef des örtlichen Unternehme­rverbands, „sondern die 1,2 Milliarden Katholiken der ganzen Welt werden auf Fátima schauen.“

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BILD: SN/AP Papst Franziskus wird kommendes Wochenende in Fátima erwartet.
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Ralph Schulze berichtet für die SN aus Fátima

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