Kommt Schulz nochmal hoch?
Die SPD steckt nach der Schlappe in Nordrhein-Westfalen in der Depression. Schulz will rasch liefern, was die Bürger schmerzlich vermissen: Inhalte.
Kurz vor dem Auftritt des Kanzlerkandidaten wird noch schnell jemand aus dem WillyBrandt-Haus getragen. Es sind große Pappaufsteller mit dem Konterfei von Hannelore Kraft. So fix geht das in der Politik. Eben noch Landesfürstin in Düsseldorf, SPD-Bundesvize in Berlin – jetzt Parteigeschichte. Letzter Eintrag: 31,2 Prozent, schlechtestes NRW-Nachkriegsergebnis. Dann treten Kraft und Martin Schulz gemeinsam auf. Von den SPD-Mitarbeitern gibt es rauschenden Beifall, der die kollektive Depression überdecken soll.
Kraft bekommt den obligatorischen Blumenstrauß. „Die SPD wird in meinem Herzen bleiben“, sagt sie und wie am Vorabend nimmt sie alle Schuld auf sich. „Die Verantwortung, was in den letzten Wochen und Monaten in NRW geschehen ist, die trage ich. Und die trage ich auch mit erhobenem Haupt.“Kraft, die nach sieben Jahren als Ministerpräsidentin als einfache Abgeordnete im NRW-Landtag bleiben will, leitet zum heikelsten Thema der zurückliegenden Wochen über. Wo war Schulz? Warum hielt er sich vor der „kleinen Bundestagswahl“in seiner Heimat an Rhein und Ruhr medial auffallend zurück? Die Antwort: Er bekam einen Maulkorb. „Ich habe Martin und die Kolleginnen und Kollegen gebeten, die Bundespolitik rauszuhalten aus dem Landtagswahlkampf“, sagt Kraft.
Fragen wirft auf, warum der Vollprofi Schulz es zuließ, von Kraft, dem Kieler Verlierer Torsten Albig und seinen Beratern auf bundespolitische Diät gesetzt zu werden.
So verzockte die SPD einstweilen den vielleicht größten Politikerkult in der Republik seit Willy Brandt. Auf dem Höhepunkt des SchulzHypes erreichte Kraft Mitte März in NRW in einer Umfrage die 40-Prozent-Marke. Die Wahlpleiten, die negative Berichterstattung, die gefühlte Unsichtbarkeit des Spitzenmannes dürften sich in den bundesweiten Rankings niederschlagen – der SPD könnten bald wieder Gabriel-Werte von 25 Prozent oder weniger drohen. So weit muss es aber nicht kommen, wenn Schulz die richtigen Schlüsse zieht. In vier Monaten bis zur Bundestagswahl kann noch viel passieren. Was sagt der Spitzenkandidat zur Kritik, er biete zu wenige Inhalte an? „Ich kenne den Vorwurf, und ich nehme ihn sehr ernst.“Dann rattert er los. Investitionen, „Zukunft in Gerechtigkeit“, Europa, Abrüstung, Brexit.
An diesem Donnerstag will Schulz einen Aufschlag zu Bildung und Wissenschaft machen. In der nächsten Woche sind Eckpunkte des Wahlprogramms fertig – ohne die teuersten Brocken Steuern und Rente. Schulz ist nicht zu beneiden. „Ich hatte eine kurze Nacht. Insofern werden Sie Verständnis dafür haben, dass ich noch nicht alles jetzt vortragen kann.“
Während die Genossen ihre Wunden lecken, bereitete sich Angela Merkel nach dem CDU-Triumph in Düsseldorf auf den nächsten schönen Termin vor – den Antrittsbesuch von Frankreichs neuem Präsidenten Emmanuel Macron in Berlin. Wie Perlen an ihrer berühmten „Deutschlandkette“reiht Merkel weltpolitische Termine auf. Zu Christi Himmelfahrt tritt sie mit Ex-US-Präsident Barack Obama am Brandenburger Tor auf. Parallel kommt sie in Brüssel beim NATOGipfel mit Donald Trump zusammen. Schulz stehen hammerharte Wochen bevor.
„In der nächsten Runde ist jemand wie ich kampferprobt.“Martin Schulz, SPD