Hauen und Stechen statt faires Wettrennen
Die österreichische Politik verwechselt gern Partei mit Staat. Es geht um Wahltaktik und nicht um die Anliegen der Bürger.
Die österreichische Bundesregierung hat sich Dienstagmittag auf Ansage von Bundeskanzler Christian Kern von der Arbeit verabschiedet. Es wird in den kommenden Monaten bis zur vorgezogenen Neuwahl keine gemeinsamen Vorlagen an das Parlament geben. Der Nationalrat soll die Gesetze nicht nur beschließen, sondern auch gleich selbst vorschlagen.
SPÖ und ÖVP sind also tatsächlich nicht imstande, ihre längst überfällige Scheidung mit Anstand über die Bühne zu bringen. Beide Seiten taktieren und denken nur noch darüber nach, wie sie selbst am besten dastehen und den politischen Mitbewerber (seit einiger Zeit passt wohl besser: „Feind“) am schlechtesten aussehen lassen können.
Das Geplänkel zwischen Kanzler Christian Kern und Außenminister Sebastian Kurz, wer denn nun den Vizekanzler geben darf oder muss, ist lächerlich. Es war von Anfang an sonnenklar, dass sich Kurz bis zur Wahl nicht als Vizekanzler für eine Regierung, von der er selbst nichts mehr hält, in die Verantwortung nehmen lassen will. Und es war genauso sonnenklar, dass Christian Kern den jungen Herausforderer noch gern ein paar Monate an seiner Seite als Vizetascherlträger des Kanzlers sehen möchte. Der Streit um die Besetzung des Vizekanzlers ist also von vornherein von beiden Seiten inszeniert.
Nun ist der totale Stillstand in der Regierung angesagt. Die Ministerinnen und Minister sind zum Nichtstun verurteilt. Das operative Tagesgeschäft (Orden verleihen, Bescheide erstellen, Ausstellungen eröffnen, Subventionen verteilen) können auch die Beamten erledigen. Dazu braucht man nicht hoch bezahlte Politiker.
In Österreich werden traditionell Partei und Staat miteinander verwechselt. Die Spitzen der Regierung liefern dafür den Beweis. Sie denken an ihre Wahlchancen und nicht an die Bürgerinnen und Bürger. Die werden mit Verwirrspielen von beiden Seiten zum Narren gehalten.
Das wäre Anlass für den Bundespräsidenten, die Regierungsparteien zur Ordnung und zur Arbeit zu rufen. Andernfalls könnte er die Regierung entlassen und durch Expertinnen und Experten ersetzen.
Werden wir von SPÖ und ÖVP am Schmäh gehalten? Die Ankündigung vom freien Spiel der demokratischen Kräfte im Nationalrat ist leeres Gerede. In Wahrheit gilt ab sofort: Jeder gegen jeden. Wir werden uns in den nächsten Monaten eher auf ein Hauen und Stechen als auf ein faires Wettrennen der besten Köpfe gefasst machen müssen.