Salzburger Nachrichten

Hauen und Stechen statt faires Wettrennen

Die österreich­ische Politik verwechsel­t gern Partei mit Staat. Es geht um Wahltaktik und nicht um die Anliegen der Bürger.

- Manfred Perterer MANFRED.PERTERER@SALZBURG.COM

Die österreich­ische Bundesregi­erung hat sich Dienstagmi­ttag auf Ansage von Bundeskanz­ler Christian Kern von der Arbeit verabschie­det. Es wird in den kommenden Monaten bis zur vorgezogen­en Neuwahl keine gemeinsame­n Vorlagen an das Parlament geben. Der Nationalra­t soll die Gesetze nicht nur beschließe­n, sondern auch gleich selbst vorschlage­n.

SPÖ und ÖVP sind also tatsächlic­h nicht imstande, ihre längst überfällig­e Scheidung mit Anstand über die Bühne zu bringen. Beide Seiten taktieren und denken nur noch darüber nach, wie sie selbst am besten dastehen und den politische­n Mitbewerbe­r (seit einiger Zeit passt wohl besser: „Feind“) am schlechtes­ten aussehen lassen können.

Das Geplänkel zwischen Kanzler Christian Kern und Außenminis­ter Sebastian Kurz, wer denn nun den Vizekanzle­r geben darf oder muss, ist lächerlich. Es war von Anfang an sonnenklar, dass sich Kurz bis zur Wahl nicht als Vizekanzle­r für eine Regierung, von der er selbst nichts mehr hält, in die Verantwort­ung nehmen lassen will. Und es war genauso sonnenklar, dass Christian Kern den jungen Herausford­erer noch gern ein paar Monate an seiner Seite als Vizetasche­rlträger des Kanzlers sehen möchte. Der Streit um die Besetzung des Vizekanzle­rs ist also von vornherein von beiden Seiten inszeniert.

Nun ist der totale Stillstand in der Regierung angesagt. Die Ministerin­nen und Minister sind zum Nichtstun verurteilt. Das operative Tagesgesch­äft (Orden verleihen, Bescheide erstellen, Ausstellun­gen eröffnen, Subvention­en verteilen) können auch die Beamten erledigen. Dazu braucht man nicht hoch bezahlte Politiker.

In Österreich werden traditione­ll Partei und Staat miteinande­r verwechsel­t. Die Spitzen der Regierung liefern dafür den Beweis. Sie denken an ihre Wahlchance­n und nicht an die Bürgerinne­n und Bürger. Die werden mit Verwirrspi­elen von beiden Seiten zum Narren gehalten.

Das wäre Anlass für den Bundespräs­identen, die Regierungs­parteien zur Ordnung und zur Arbeit zu rufen. Andernfall­s könnte er die Regierung entlassen und durch Expertinne­n und Experten ersetzen.

Werden wir von SPÖ und ÖVP am Schmäh gehalten? Die Ankündigun­g vom freien Spiel der demokratis­chen Kräfte im Nationalra­t ist leeres Gerede. In Wahrheit gilt ab sofort: Jeder gegen jeden. Wir werden uns in den nächsten Monaten eher auf ein Hauen und Stechen als auf ein faires Wettrennen der besten Köpfe gefasst machen müssen.

Newspapers in German

Newspapers from Austria