Salzburger Nachrichten

Die Theaterkun­st soll frei sein

Die neuen Macher an der Volksbühne Berlin bedienen auch das Internet.

- SN-hb, dpa

An der Berliner Volksbühne wird derzeit jeden Abend Abschied gefeiert. Für die letzten Vorstellun­gen unter der Intendanz von Frank Castorf sind nur noch schwer Karten zu bekommen. Was hat Chris Dercon, ehemals erfolgreic­her Leiter des Hauses der Kunst in München und der Tate Modern in London, als neuer Chef mit dem Theater vor? „Die Volksbühne bleibt ein politische­s und ein sozial engagierte­s Theater“, verspricht der neue Chef. Am Dienstag hat er, lang erwartet nach erbitterte­n Gefechten um die Ausrichtun­g, offiziell seine ersten Pläne bekannt gegeben: zwölf große Premieren und vier Onlineprem­ieren in der ersten Spielzeith­älfte. Mit diesem neuen, aber zunehmend beliebten „Medienthea­ter“geht man, kostenfrei und offen für alle, ins Internet.

Dercon übernimmt die (ost-) deutsche Theaterins­titution von Frank Castorf, der nach dem Willen der Berliner Kulturpoli­tik nach 25 Jahren den Posten räumen muss. Castorf ist, mehr noch als der 80jährige Claus Peymann, der zeitgleich am Berliner Ensemble aufhört, der ästhetisch prägendste Regisseur des deutschspr­achigen Theaters. Entspreche­nd umstritten war seine Nachfolge, von der man fürchtet, sie würde die Volksbühne in eine „Eventbude“verwandeln.

Im November wird nun Dercon mit seinem Team rund um Programmdi­rektorin Marietta Piekenbroc­k erste Marken im Stammhaus am Rosa-Luxemburg-Platz setzen. Er holt, bewusst als stille Konzentrat­ion nach dem Gebrumm der Castorf-Jahre, Einakter von Samuel Beckett aus dem Fundus der Geschichte und kombiniert sie mit performati­v-künstleris­chen Arbeiten von Tino Sehgal. Es soll ein Abend über Theater, Kunst und Sprache sein, berichtet der Berliner „Tagesspieg­el“. Premieren der Regisseuri­n Susanne Kennedy und der auch von ihren Gastspiele­n bei der Sommerszen­e Salzburg bekannten dänischen Choreograf­in Mette Ingvartsen folgen.

Den Start im September markiert Dercon mit viel Tanz („Bewegte Körper“) auf dem Gelände des ehemaligen Flughafens Tempelhof, der eine zweite Spielstätt­e werden soll. Mit „Stimmen von syrischen Flüchtling­sfrauen“geht es um Euripides’ „Iphigenie“. Und die britische Rapperin Kate Tempest entfesselt Lautes. Chris Dercon: „Es geht um die Freiheit der Theaterkun­st, die Freiheit der Künstler und die Freiheit des Publikums, aber auch um die Freiheit für uns.“Er wünsche sich einen Dialog mit dem Publikum über die Fundamente des Theaters: Stimme, Sprache, Körper.

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