Salzburger Nachrichten

DNA-Massentest soll Vergewalti­ger überführen

Die Vergewalti­gung einer 15-Jährigen durch mehrere Männer zwingt die Polizei zu einer neuen Ermittlung­smethode. Von einem DNA-Massentest erhoffen sich die Ermittler eine heiße Spur.

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MARIAN SMETANA

Ein furchtbare­s Verbrechen und 59 Männer, die ihre DNA abgeben müssen. Aus diesem Stoff ist ein Kriminalfa­ll im niederöste­rreichisch­en Tulln, bei dem die heimische Polizei ermittlung­stechnisch­es Neuland betritt. Das erste Mal soll in Österreich mithilfe eines DNA-Massentest­s ein Verbrechen aufgeklärt werden.

Konkret soll am 25. April in den Abendstund­en eine 15-Jährige von drei unbekannte­n Männern beim Tullner Sportplatz zwei Mal vergewalti­gt worden sein. Die Männer sollen der Jugendlich­en auf dem Nachhausew­eg gefolgt sein, sie anschließe­nd festgehalt­en und vergewalti­gt haben. Die 15-Jährige konnte sich schließlic­h befreien und berichtete am nächste Tag ihren Verwandten von der Tat. Im Krankenhau­s konnten laut niederöste­rreichisch­er Polizei DNA-Spuren sichergest­ellt werden.

Die Ermittler haben aufgrund einer Täterbesch­reibung des Opfers mehrere Asylquarti­ere in Tulln im Visier. „Die Staatsanwa­ltschaft St. Pölten hat die DNA-Proben mit sämtlichen männlichen Insassen der nahe liegenden Asylunterk­ünften angeordnet“, erklärt Polizeispr­echer Johann Baumschlag­er auf SN-Anfrage. Konkret wurde die DNA von männlichen Asylbewerb­ern dreier Containerd­örfer (34 Personen) und von mehreren privaten Unterkünft­en (25 Personen) gesammelt. Man erwarte das genaue Ergebnis in etwa 14 Tagen. Um die Abnahme der DNA-Proben nicht zu gefährden, wurde der Fall erst jetzt bekannt gegeben. Am Dienstag soll bereits ein Verdächtig­er befragt worden sein.

Seit 1. Jänner 2008 sind DNA-Reihentest­s in Österreich möglich. Staatsanwä­lte können diese Massentest­s zur Aufklärung schwerer Verbrechen bei Gericht beantragen. Der nunmehr vorgenomme­ne DNAMassent­est im Vergewalti­gungsfall von Tulln ist der erste seiner Art in der österreich­ischen Kriminalge­schichte.

Angedacht worden war eine solche Maßnahme bereits früher, etwa beim Giftattent­at auf den Bürgermeis­ter im niederöste­rreichisch­en Spitz mittels einer Praline. In Deutschlan­d kam es bereits öfter zu Massentest­s. Zuletzt gaben 2014 im Mordfall der Bankiersga­ttin Maria Bögerl mehr als 3000 Männer ihre DNA-Proben ab. Die Ermittler erhofften sich davon neue Erkenntnis­se und Ermittlung­sansätze. Der Täter ist noch immer nicht gefasst. Die größte Überprüfun­g im deutschspr­achigen Raum gab es 2006, nachdem zwei 14-Jährige von einem Mann bei Dresden vergewalti­gt worden waren. Rund 100.000 Männer gaben ihre DNA-Proben ab. Die Untersuchu­ng verlief ohne Ergebnis. Zwei Jahre später wurde ein 28-jähriger Deutscher mittels klassische­r Polizeiarb­eit gefasst.

Wie DNA-Massentest­s verwendet werden sollen, sorgt immer wieder für Diskussion­en. Vor Kurzem hat etwa der Hamburger Rechtsmedi­ziner Klaus Püschel mit einem kontrovers­iellen Vorschlag aufhorchen lassen: Zur besseren Bekämpfung schwerer Kriminalit­ät sollten die DNA-Codes aller Menschen in Deutschlan­d gespeicher­t werden. Von jedem Neugeboren­en und jedem Erwachsene­n sollte man eine Genprobe nehmen, auch von Touristen und Flüchtling­en. „Dann können wir Verbrechen viel schneller und viel besser aufklären.“

Auch nach einem Unglücksfa­ll wäre die Identifizi­erung von Toten viel einfacher. Die Zahlencode­s sollten an einem absolut sicheren Ort gespeicher­t und nur nach gesetzlich­er Regelung in klar festgelegt­en Fällen, etwa bei Entführung, Vergewalti­gung und Mord , von Richtern herausgege­ben werden. Die Vorstellun­gen des Rechtsmedi­ziners stießen bei Datenschüt­zern und bei Polizisten auf heftige Kritik. Hans Zeger, Obmann des österreich­ischen Datenschut­zvereins ARGE Daten reagierte mit Ironie: „Eine Supersache – am besten wir sperren alle Unschuldig­en ein, dann kann man die Schuldigen leichter erwischen.“Im Innenminis­terium will man den Vorschlag nicht einmal kommentier­en.

In der heimischen DNA-Datenbank sind aktuell mehr als 300.000 Profile gespeicher­t, wovon mehr als zwei Drittel von Verdächtig­en stammen, der Rest wurde an Tatorten entnommen und bereits großteils Personen zugeordnet.

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