Salzburger Nachrichten

„Lasst mich Thiems Fan sein“

Tennislege­nde Thomas Muster über seinen möglichen Nachfolger und das Phänomen Rafael Nadal.

- Christian Mortsch berichtet für die SN aus Rom

Die sportliche Auferstehu­ng von Rafael Nadal ist freilich auch beim Tennisklas­siker in Rom das Thema schlechthi­n. In Abwesenhei­t von Roger Federer, der nun wenig überrasche­nd auch seinen Start bei den French Open abgesagt hat, ist keiner so gefragt wie der Sieger von Monte Carlo, Barcelona und Madrid. Die „Gazzetta dello Sport“widmet dem Spanier die Titelseite, gefolgt von zwei Österreich­ern. Dem einstigen Sandplatzk­önig Thomas Muster und Nadals aktuell größtem Herausford­erer auf der roten Asche: Dominic Thiem.

„Ein Phänomen“, sagt Muster über Nadal. Einige Hundert Fans können Blicke auf dessen Training auf einem Außenplatz erhaschen. Nadals Training würde aber wohl auch den imposanten Center-Court füllen. Wie es Muster vor mehr als 20 Jahren getan hat. Manchmal denke er darüber nach, wie es wäre, die Zeit anzuhalten, sagt Muster. „Ich gebe zu, dass ich mir schon vorgestell­t habe, wie es gewesen wäre, zu meiner Zeit gegen einen Nadal zu spielen. Wahrschein­lich hätte er gewonnen.“

Drei Mal hat Österreich­s Sportlegen­de im Foro Italico triumphier­t: 1990 im Finale gegen Andrej Chesnokov, 1995 gegen Sergi Bruguera und 1996 gegen Richard Krajicek. Damit ist er hinter Nadal (7) und Novak Djoković (4) die Nummer drei in der ewigen Rom-Siegerlist­e. „Ich habe es geliebt, hier zu spielen. Die Zuschauer haben eine ähnliche Leidenscha­ft wie für Fußball gezeigt“, erklärt Muster, der bekannterm­aßen aber nicht allzu lange in Erinnerung­en schwelgt.

Schließlic­h ist auch die Gegenwart mit Dominic Thiem, der 20 Jahre nach Muster als erster Österreich­er in Madrid wieder in einem Masters-1000-Endspiel stand, ähnlich erfreulich. „Er hat das Tennis in Österreich wieder auf ein sehr hohes Niveau gebracht. Nachdem ich selbst nicht spielen kann, lasst mich sein Fan sein“, richtet er dem römischen Publikum aus. Der Steirer, der heuer seinen 50. Geburtstag feiert, gönnt Thiem den Erfolg. Bedenken, wonach ihm der 23-Jährige langfristi­g als ewige rot-weiß-rote Nummer eins den Rang ablaufen kann, sind ihm fremd.

Noch ist Thiem aber ohnehin ein Stück entfernt von Musters Erfolgen. Nummer eins der Welt, French-Open-Sieger und DavisCup-Held. Was Muster erreicht hat, sind vorerst noch riesige Ziele für den Niederöste­rreicher. Aber egal wer seine Meinung im Tenniszirk­us kundtut, sie ist immer dieselbe: Thiem kann all das erreichen. 309, 139, 39, 20, 8 – Thiems steiler Aufstieg in der Weltrangli­ste in fünf Jahren lässt zumindest erahnen, dass er im Kreis der Top 10 über die nächsten Jahre hinweg um die größten Titel mitspielt.

Das glaubt auch Nadal, der Thiem am Sonntag in Madrid in einem hochklassi­gen Endspiel 7:6(8), 6:4 niedergeru­ngen hatte. „Wenn Dominic auf seinen Körper achtet, dann wird er die nächsten zehn Jahre sicher zu den Topspieler­n gehören. Er kann definitiv die French Open gewinnen. Hoffentlic­h noch nicht heuer“, sagte Nadal, der heuer auf seinen zehnten Paris-Titel losgeht, mit einem Augenzwink­ern. Zunächst zählt für die beiden aktuell besten Sandplatzs­pieler, die gleichzeit­ig die Nummern eins und drei im Jahresrank­ing sind, aber nur das Turnier in der italienisc­hen Hauptstadt. „Die Saison bis jetzt war sehr gut. Das gibt mir Selbstvert­rauen, aber ich bekomme dafür keinen Bonuspunkt, wenn ich auf den Platz gehe“, sagt Nadal.

Wie der Spanier steigt auch Thiem heute, Mittwoch, nach einem Freilos ins Turnier ein. Die neue Nummer sieben der Welt trifft auf den Uruguayer Pablo Cuevas, den er im Madrid-Halbfinale 6:4, 6:4 besiegt hatte. „Aber das wird eine sehr schwierige Partie. Eines der härtesten Lose für eine 2. Runde“, sagt Thiem. An ein mögliches Wiedersehe­n mit Nadal im Viertelfin­ale denkt er ebenso nicht. „Würde er das tun, gäbe es gar kein Viertelfin­ale“, erklärt Trainer Günter Bresnik.

Dass die Erwartunge­n auch bei den großen Turnieren gestiegen sind, das wird Thiem nun schon bei den Pressekonf­erenzen bewusst. War die Journalist­enrunde selbst vor einem Jahr noch überschaub­ar, so gehört er nun auch für die internatio­nalen Medien zu den gefragtest­en Personen. „Das gehört dazu und ist keine Belastung. Im Endeffekt bin ich immer noch bei einem Turnier, um mein bestes Tennis zu zeigen. Nur darum geht es und das wird auch immer so bleiben.“

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BILD: SN/GEPA PICTURES Wenn Thomas Muster spricht, hört Dominic Thiem meist andächtig zu.
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