Salzburger Nachrichten

Verständli­cher Rücktritt zur ungünstige­n Zeit

Eva Glawischni­gs Abgang ist die Folge einer Parteikris­e. Und gleichzeit­ig ihre Verschärfu­ng.

- Alexander Purger ALEXANDER.PURGER@SALZBURG.COM

Ist Chaos ansteckend? Kaum hat sich die Regierung halbwegs wieder eingekrieg­t, geht es bei den Grünen los. Wobei der Rücktritt Eva Glawischni­gs nicht aus heiterem Himmel kommt. Im Gegenteil: Der Himmel über der grünen Partei ist seit Langem mit dunklen, drohenden Wolken verhangen.

Grund für die Parteikris­e ist ausgerechn­et der Wahlsieg von Alexander Van der Bellen bei der Bundespräs­identenwah­l. Diesem Sieg ordneten die Grünen 2016 alles unter. Sie stellten ihre Politik praktisch ein und enthielten sich fast jeglicher Aussage, um ihrem Ex-Parteichef nicht zu schaden.

Aus diesem inhaltlich­en Vakuum fanden die Grünen nicht wieder heraus. Nach dem Wahlsieg Van der Bellens – der nicht ihr Sieg, sondern der Erfolg einer breiten Anti-Hofer-Front war – kamen sie nicht mehr in die Gänge. Stattdesse­n rieben sie sich in internen Konflikten auf. Man denke an den Krach zwischen Glawischni­g und Peter Pilz über die inhaltlich­e Ausrichtun­g. Man denke an den Zwist mit der Parteijuge­nd. Man denke an den Grundsatzs­treit in der Wiener Landespart­ei über das Hochhauspr­ojekt.

Glawischni­g litt unter diesen Dauerkonfl­ikten, die sie nicht lösen konnte, sichtlich und körperlich, wie ihr Krankenhau­saufenthal­t vor wenigen Wochen zeigte. Ihr Rücktritt hat daher etwas mit Selbstschu­tz zu tun. Er kommt für die Partei aber zu einem ungünstige­n Zeitpunkt. In fünf Monaten steht eine Wahl an und die Aussichten für die Grünen sind schlecht. Kein Wunder, dass der logische Nachfolger Lothar Lockl, zuletzt erfolgreic­her Wahlkampfl­eiter Van der Bellens, sofort abwinkte. Kein Unternehme­r wechselt in die Politik, um eine so gut wie sichere Wahlnieder­lage abzuholen.

Die Grünen werden also mit einer zweitbeste­n Lösung an der Parteispit­ze vorliebneh­men müssen und es dadurch noch schwerer haben. Der Wahlkampf verspricht ein Duell um das Kanzleramt zu werden, bei dem den kleinen Parteien nur eine Statistenr­olle zukommt. Der Weg zurück in die Einstellig­keit ist für die Grünen vorgezeich­net. Damit verlieren sie auch auf dem Koalitions­markt an Marktwert. Der Traum von Rot-Grün dürfte ein Traum bleiben. Allenfalls ein Plätzchen in einer Dreierkoal­ition könnte sich vielleicht ausgehen.

In Westösterr­eich, wo sie in allen Landesregi­erungen sitzen, geht es den Grünen übrigens deutlich besser. Dort agieren sie im Vergleich zu Wien und der Bundespoli­tik mit deutlich weniger Ideologie und ohne erhobenen Zeigefinge­r.

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