Warum Glawischnig ging – und was die Grünen jetzt tun
Die Grünen verlieren fünf Monate vor der Wahl ihre Chefin. Eine neue Spitzenkandidatin soll als Kontrastprogramm zu Kern, Kurz und Strache aufgebaut werden.
Das händchenhaltende Ampelpärchen auf der Ringstraßenampel vor dem Parlament leuchtete grün auf – und Eva Glawischnig kehrte händchenhaltend mit ihrem Ehemann dem Parlament und der Politik den Rücken. Ein letztes Mal verfolgt von Kamerateams und Fotografen. Soeben war sie als grüne Bundessprecherin, Obfrau des grünen Parlamentsklubs und Nationalratsabgeordnete zurückgetreten. Die Entscheidung war bereits vor Tagen gefallen, Mittwochabend sickerte sie durch.
Die vergangenen Monate haben an der Konstitution der langjährigen Spitzenpolitikerin gezehrt. Als Mutter, die von ihren kleinen Söhnen noch gebraucht werde, habe sie ihre Gesundheit nicht weiter aufs Spiel setzen wollen, sagte sie in ihrem Abschiedsstatement im Pressezentrum des Parlaments. Und sandte ein letztes Mal politische Signale aus: gegen das Konzept des „starken Mannes“, das wieder modern werde. Gegen den Hass in den sogenannten sozialen Medien. Gegen das immer rauer werdende Klima in der Politik. Gegen Machogehabe und Quotengier bei den Medien. Anschließend verließ sie mit engen Weggefährten das Parlament. Die Grünen werden seither interimistisch von ihren Stellvertretern, dem Parlamentarier Werner Kogler und der Tiroler Landeshauptmannstellvertreterin Ingrid Felipe, geführt.
Ingrid Felipe, 38 Jahre alt, wird auch als Nachfolgekandidatin für Eva Glawischnig genannt, und das seit Wochen, als erstmals Spekulationen über einen Rückzug der Grünen-Chefin laut wurden. Die zweite oft genannte Nachfolgekandidatin ist Ulrike Lunacek, 60. Lunacek ist Delegationsleiterin der österreichischen Grünen im Europaparlament, in dem sie auch als Vizepräsidentin eine führende Rolle innehat. Bei der EU-Wahl 2014 fuhren die Grünen mit Spitzenkandidatin Lunacek 14,52 Prozent ein, das ist das beste Ergebnis, das diese Partei österreichweit je erzielte.
Auch andere Personen wurden am Donnerstag genannt, die in der grünen Hierarchie aufsteigen könnten, etwa der grüne Justizsprecher Albert Steinhauser. Auch Salzburgs grüne Landessprecherin Astrid Rössler wurde ins Spiel gebracht – sie hat aber abgewinkt.
Fest dürfte indes stehen, dass die beiden wichtigsten Funktionen – nämlich Parteichefin und Spitzenkandidatin bei der Nationalratswahl – in einer Hand bleiben werden. Für eine solche Lösung sprach sich auch Glawischnig in ihrer Abschiedspressekonferenz aus. Fest steht auch, dass die neue Person an der Spitze der Grünen wieder eine Frau sein sollen.
Dies nicht nur aus Gründen der gendermäßigen Korrektheit, sondern auch aus Kalkül. Da bei der kommenden Wahl mit Christian Kern, Sebastian Kurz und HeinzChristian Strache „drei testosterongesteuerte Männer“(so ein grüner Gesprächspartner) um Aufmerksamkeit buhlen werden, können die Grünen mit einem weiblichen Spitzenkandidaten einen öffentlichkeitswirksamen Kontrapunkt setzen.
Eile ist geboten: Die neue Frau an der Parteispitze hat nicht einmal fünf Monate Zeit, sich als Spitzenkandidatin für die herbstliche Wahl in Stellung zu bringen.
Ein grüner Parteiinsider erklärte den SN, dass auch in der Partei alle – außer dem engsten Zirkel um Glawischnig – überrascht von der plötzlichen Rücktrittsentscheidung gewesen seien. Zur von manchen angedachten Lösung, dass Ingrid Felipe die Partei von Tirol aus führen könnte, sei im Parlamentsklub die Freude sehr eingeschränkt: „Das kann nicht funktionieren, du musst in Wien sein und du musst im Nationalrat sein.“Denn: „Es wird ein extrem schwieriger Wahlkampf – wahrscheinlich unser schwierigster.“