Salzburger Nachrichten

Gefangen in der Opposition­sfalle

Eva Glawischni­g war eine erfolgreic­he Parteichef­in. Doch der letzte Schritt blieb ihr verwehrt.

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WIEN. Die Laune des Wahlkalend­ers brachte es mit sich, dass Eva Glawischni­g zwar fast neun Jahre an der Spitze der Grünen stand, aber nur eine Nationalra­tswahl schlagen konnte, und zwar 2013. Dabei verbessert­e sie das grüne Ergebnis von 10,04 auf 12,4 Prozent. Diese Marke ist sinnbildli­ch für das Wirken Glawischni­gs als Parteichef­in: Einerseits waren besagte 12,4 Prozent das beste Ergebnis, das die Grünen je bei Nationalra­tswahlen einfuhren, und sie konnten sich rühmen, die erfolgreic­hsten Grünen Europas zu sein. Doch anderersei­ts war die knappe Zweistelli­gkeit zu wenig, um wirklich mitgestalt­en zu können, etwa als Regierungs­partei. Da rechnerisc­h nicht einmal eine Dreierkoal­ition mit SPÖ und Neos möglich war, saßen die von Glawischni­g geführten Grünen in der Opposition­sfalle.

Weit erfolgreic­her waren die Grünen in einzelnen Bundesländ­ern, von Vorarlberg bis Salzburg, wo sie sich mit Landtagswa­hlergebnis­sen um 20 Prozent als Regierungs­partei unverzicht­bar machten. Auch bei der EU-Wahl lagen die Grünen mit zuletzt 14,5 Prozent besser als bei der Nationalra­tswahl.

Der größte Erfolg Glawischni­gs war es zweifellos, ihren langjährig­en Vorgänger und Mentor Van der Bellen zur Präsidents­chaftkandi­datur überredet zu haben und diese Wahl auch noch zu gewinnen. Es war ein Pyrrhussie­g. Denn die grüne Parteiorga­nisation samt ihrer Obfrau wurde durch den Dauerpräsi­dentschaft­wahlkampf arg belastet. Die Grünen haben in dieser Zeit an politische­m Profil verloren.

Politisch zeichnete Glawischni­g ein sachlicher, von Polemik freier Stil aus. Persönlich­e Untergriff­e waren und sind ihr fremd. Aufgewachs­en als singende Wirtstocht­er in Kärnten und Erste in ihrer Familie, die einen akademisch­en Abschluss als Juristin erreichte, war und ist ihre Lebenskenn­tnis keineswegs auf grüne Diskussion­szirkel beschränkt. Auch in ihren jungen Jahren als Mitarbeite­rin bei Global 2000 sammelte sie politische Basiserfah­rungen, unter anderem bei Baustellen­besetzunge­n. Mit 48 Jahren beginnt sie nun ihr Leben jenseits der Politik.

Denn so ein Politikerj­ahr zählt für sieben normale Lebensjahr­e. Zwölf Monate Dauerkampf­modus, um drei Wahlgänge für Alexander Van der Bellen zu schlagen. Der nervende Zwist mit den Jungen Grünen. Gesundheit­liche Probleme. Heckenschü­tzen in der eigenen Partei, die schon vor Monaten Rücktritts­gerüchte in die Medien setzten. Da und dort gehässige Töne, weil ihr Ehemann in einer ORFTanzsho­w auftrat: Es ist kein Wunder, dass Eva Glawischni­g die Aussicht, in einer solchen Situation einen sommerlich­en Nationalra­tswahlkamp­f schlagen zu müssen, zur Schlussfol­gerung bewog, das Leben jenseits der Politik nun endlich aufzunehme­n.

 ?? BILD: SN/APA/ROBERT JAEGER ?? Ein letztes Mal im Blitzlicht­gewitter: Eva Glawischni­g bei ihrer Abschiedse­rklärung.
BILD: SN/APA/ROBERT JAEGER Ein letztes Mal im Blitzlicht­gewitter: Eva Glawischni­g bei ihrer Abschiedse­rklärung.

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