Organe aus dem 3D-Drucker
Noch klingen Ersatzorgane aus dem Drucker wie Science-Fiction. Tatsächlich ist eine Leber ein ferner Traum. Andere Körperteile werden aber längst hergestellt.
BERLIN. Mit rasanter Geschwindigkeit hat sich der 3D-Druck in der Medizin ausgebreitet. Hörgeräte und Zahnkronen stammen vielfach längst aus Druckmaschinen, auch für chirurgische Einmalinstrumente sowie zur Herstellung von Modellen für das Proben eines Eingriffs wird die Technik verwendet. Selbst für Tabletten: Da Epileptiker Pillen nicht schlucken können, wird eine sehr poröse Struktur im Drucker fabriziert, die bei Kontakt mit Flüssigkeit im Mund zerfällt.
28 Prozent der Unternehmen aus der Medizintechnik und Pharmazie hätten schon Erfahrung mit 3DDruck gesammelt, ermittelte die Unternehmensberatung Ernst & Young bei einer Umfrage in zwölf vor allem westlichen Ländern. Bei den Hörgeräten sei nahezu der ganze Markt umgestiegen, sagt Ernst&-Young-Managerin Stefana Karevska. Dabei nutze die Medizintechnik das junge Verfahren häufiger als andere Branchen. Tendenz aber überall: steigend.
„Das ist faszinierend“, sagt Bilal Al-Nawas, leitender Oberarzt der Klinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie der Unimedizin Mainz. „Die Chirurgen brauchen den 3D-Druck und die Patienten wünschen ihn. Dass wir von irgendwo im Körper ein Stück Knochen oder ein Stück Gefäß rausnehmen und das Teil irgendwo anders wieder einbauen – das kann nicht die Zukunft sein“, sagt er.
Al-Nawas und seine Kollegen laden von Freitag an Forscher, Startups und Druckmaschinenbauer aus aller Welt zu einem 3D-Druck-Kongress in Mainz ein. Mit dabei ist auch Eos aus der Nähe von München, führender Anbieter im industriellen 3D-Druck von Metallen und Kunststoffen, die als Pulverwerkstoff vorliegen. Einer ihrer Drucker könne pro Tag 400 individuelle Zahnkronen herstellen – zu einem Zehntel des Preises der konventionellen Fertigung, sagte Martin Bullemer, Experte für die Additive Fertigung im Medizin- und Dentalbereich bei Eos. „Im gesamten Orthopädiebereich geht es vorwärts.“
Was hingegen nicht aus dem Drucker kommt, sind Schrauben. Auch gefräst und gegossen wird weiterhin. Die Forscher stürzten sich momentan lieber auf Gefäße, sagt Al-Nawas. In Tierversuchen habe man sie schon erfolgreich als Ersatz eingebaut. „Gefäße sind der erste Schritt. Wenn das klappt, dann kann man sich auch vieles andere vorstellen.“Leber und Schilddrüse seien sehr interessant – aber auch noch sehr weit weg von der Anwendung.
Beim 3D-Druck werden Werkstoffe wie Titan, Kunststoff oder Keramik mithilfe von Laser oder Infrarotlicht Schicht für Schicht verschmolzen. Da die Schichten nur Hundertstelmillimeter dick sind, ist das Verfahren äußerst präzise. Auch komplizierte Wabenstrukturen sind möglich, die durch Bohren oder Spritzen nicht herstellbar wären. Der Bauplan ist individuell – und wird etwa nach einem Scan aus dem Computertomographen entworfen.
Chirurgen wie Al-Nawas würden gern etwas anderes verbauen als Metall. „Wir wollen am liebsten ein Material, das vom Körper zu Knochen umgebaut wird, wie etwa Magnesium. Oder zumindest ein Material, das knochenähnlicher ist“, sagt er.
Forscher der Northwestern University in Chicago haben im 3D-Druck schon funktionsfähige Eierstöcke von Mäusen produziert. Nach der Transplantation entwickelten die weiblichen Tiere ohne jegliche weitere Behandlung Eizellen, die auf natürliche Weise befruchtet wurden, wie das Team im Fachblatt „Nature Communications“berichtete. Im vergangenen Jahr hatten US-Forscher gezeigt, dass Knorpel und Muskelstücke aus dem Drucker anwachsen und sich darin Blutgefäße und Nervenverbindungen bilden – einer der ganz großen Knackpunkte der 3D-Teile.
Al-Nawas warnt aber vor einer Überschätzung. „Nachher sagt jeder: Der Durchbruch ist da, morgen drucken wir neue Herzen.“Das könnte dazu führen, dass Mediziner von den tatsächlichen Ergebnissen enttäuscht sind. „Es ist spannend, aber es ist ein dickes Brett. Und die werden immer langsam gebohrt.“
„Chirurgen brauchen den 3D-Druck und die Patienten wünschen ihn.“