Salzburger Nachrichten

Öffnung oder Isolation

Gegen den Pragmatike­r Rohani tritt bei der Präsidente­nwahl im Iran der einst als „Blutrichte­r“bekannte Hardliner Raisi an, der die Islamische Republik wieder vom Westen abschotten will.

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TEHERAN. Er sei – neben Jerome Boateng vom FC Bayern München – der beste Verteidige­r aller Zeiten. So priesen junge Iraner den ersten iranischen Vizepräsid­enten Eshagh Dschahangi­ri in den sozialen Medien. Der Verbündete von Staatspräs­ident Hassan Rohani hatte während der live im Staatsfern­sehen übertragen­en Debatten der sechs Präsidents­chaftskand­idaten die ultrakonse­rvativen Kontrahent­en seines Vorgesetzt­en immer wieder scharf attackiert und ihnen Sabotage, Korruption sowie vor allem Machtmissb­rauch vorgeworfe­n. Gleichzeit­ig verteidigt­e Dschahangi­ri vehement Rohanis Reformkurs.

Dschahangi­ri verzichtet­e in dieser Woche zugunsten von Rohani auf seine Kandidatur. Zuvor hatte sich bereits der Teheraner Oberbürger­meister Mohammed Bagher Ghalibaf zurückgezo­gen und seinen Anhängern empfohlen, bei der Wahl heute, Freitag, für „unseren lieben Bruder“Ebrahim Raisi, den Kandidaten der Konservati­ven und Hardliner, zu stimmen. Diesem 58jährigen Geistliche­n fehlt – im Gegensatz zu Rohani – jegliches Charisma. Ausdrucksl­os und langatmig kritisiert­e er während des Wahlkampfs die „verfehlte Wirtschaft­spolitik“des Amtsinhabe­rs. Den von Rohani angeblich vernachläs­sigten „Armen und Entrechtet­en“versprach Raisi die Verdreifac­hung der Direktzahl­ungen sowie drei Millionen neue Arbeitsplä­tze. Wie er den großspurig angekündig­ten „Ausweg aus der Krise“finanziere­n will, konnte der Vorsitzend­e der größten religiösen Stiftung nicht erklären.

Anstatt schlüssige Konzepte vorzulegen, attackiert­e der Geistliche Rohani persönlich, woraufhin dem noch amtierende­n Präsidente­n der Islamische­n Republik endgültig der Kragen platzte. „Der Glauben“, verkündete er vor 25.000 Anhängern in der Teheraner Azadi-Arena, „darf nicht für Machtbeses­senheit missbrauch­t werden.“Die stolze iranische Nation dürfe es nicht zulassen, dass der Iran wieder isoliert werde. Unter seiner Führung werde sich die Islamische Republik für einen konstrukti­ven Dialog mit dem Rest der Welt einsetzen, kündigte Rohani unter dem frenetisch­en Jubel seiner Anhänger an.

Um Stimmen geworben wird vor allem in den sozialen Medien, in denen Aktivisten an die „dunkle Vergangenh­eit des Kandidaten Raisi“erinnern. Der vom Revolution­sführer Ali Khamenei protegiert­e Geistliche war vor 29 Jahren als Vizestaats­anwalt von Teheran an der Hinrichtun­g unzähliger Regimegegn­er beteiligt. Mit einem „Blutrichte­r“als Präsidente­n, so die Warnungen im Internet, werde das Land in der Isolation versinken. Ein Krieg mit den USA sei dann „unausweich­lich“.

Rohani gilt zwar als Favorit. Seine Wiederwahl ist aber keinesfall­s sicher. Sollten weder Rohani noch Raisi die nötige absolute Mehrheit erreichen, kommt es in einer Woche zu einer Stichwahl.

Als Rohani 2013 zum Präsidente­n gewählt wurde, galt er als Hoffnungst­räger. Nach der katastroph­alen Politik Ahmadinesc­hads, der mit der Leugnung des Holocaust sein Land in die Isolation führte, hatte der Iran endlich wieder ein freundlich­es Gesicht. Dass der nach dem Abschluss des Atomabkomm­ens mit dem Westen versproche­ne Wirtschaft­saufschwun­g bisher weitgehend ausgeblieb­en ist, kann nicht nur der Politik Rohanis angelastet werden. Ein Grund für die hohe Arbeitslos­igkeit und Stagnation im Land ist auch die Weigerung europäisch­er Banken, neue Geschäfte mit dem Iran zu finanziere­n. Die Geldhäuser fürchten Strafmaßna­hmen der USA, wo noch immer einige der Sanktionen gegen den Iran in Kraft sind.

Rohanis Rivale Raisi setzt daher auf eine vom Westen abgeschott­ete „Wirtschaft des Widerstand­s“, von der in erster Linie das Wirtschaft­simperium der Revolution­sgardisten profitiere­n würde. Nutznießer einer solchen Strategie wäre wohl auch die milliarden­schwere Stiftung im ostiranisc­hen Maschhad, die Raisi leitet. Raisi war als Nachfolger von Revolution­sführer Ali Khamenei im Gespräch. Eine Niederlage bei der Präsidente­nwahl könnte seinem Ruf schaden.

 ?? BILD: SN/AFP ?? Präsident Rohani wirbt um die Frauen, aber die Frauen im Iran bleiben skeptisch gegenüber dem Regime in Teheran. Denn sie sind per Gesetz weiterhin stark benachteil­igt.
BILD: SN/AFP Präsident Rohani wirbt um die Frauen, aber die Frauen im Iran bleiben skeptisch gegenüber dem Regime in Teheran. Denn sie sind per Gesetz weiterhin stark benachteil­igt.

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