Salzburger Nachrichten

Brasiliens Präsident schlittert in Abhörskand­al

Michel Temer soll Schweigege­ldzahlunge­n gebilligt haben. Nun gibt es Gesprächsm­itschnitte.

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BRASILIA. Brasiliens konservati­ver Präsident Michel Temer ist am Mittwoch durch einen Medienberi­cht schwer unter Korruption­sverdacht geraten. Die Zeitung „O Globo“berichtete von einer Tonbandauf­nahme, auf der Temer zu hören sein soll, wie er gegenüber Unternehme­rn sein Einverstän­dnis gibt, dem früheren Parlaments­präsidente­n Eduardo Cunha weiterhin Schweigege­ld zu zahlen.

Temer wies die Anschuldig­ungen umgehend zurück. Die Tonbandauf­nahme soll allerdings in Kürze veröffentl­icht werden. Sollte stimmen, was „O Globo“berichtet, wird der Skandal ein politische­s Erdbeben auslösen und den Übergangsp­räsidenten Temer möglicherw­eise das Amt kosten. Der frühere Vizepräsid­ent hatte erst vor einem Jahr das Amt des Staatschef­s des größten Landes Lateinamer­ikas übernommen, nachdem die linke Präsidenti­n Dilma Rousseff einem Amtsentheb­ungsverfah­ren zum Opfer gefallen war.

Der Bericht löste Schockwell­en aus. In São Paulo und Brasilia gingen die Menschen spontan auf die Straße und forderten den Rücktritt Temers. Auch in Rio de Janeiro und anderen Städten protestier­ten die Menschen gegen die Regierung.

„O Globo“berichtet, am 7. März dieses Jahres hätten Temer und Joesley Batista vom Fleischkon­zern JBS über das monatliche Bestechung­sgeld gesprochen, das JBS an Eduardo Cunha zahle. Cunha war ein wichtiger Verbündete­r von Temer und als Parlaments­präsident der Hauptiniti­ator des Amtsentheb­ungsverfah­rens gegen Rousseff. Cunha sitzt mittlerwei­le wegen des Vorwurfs der Bestechung für 15 Jahre in Haft und fühlt sich von Temer im Stich gelassen. Er drohte damit, über dessen Verwicklun­gen in den Petrobras-Bestechung­sskandal auszupacke­n.

Bei dem Treffen hat Batista angeblich heimlich ein Aufnahmege­rät mitlaufen lassen. Temer soll den Fleischunt­ernehmer offenbar aufgeforde­rt haben, die als Schweigege­ld gedachten monatliche­n Zahlungen an Cunha aufrechtzu­erhalten. Temers Büro wies am Mittwoch die Existenz einer derartigen Aufnahme zurück, bestätigte aber das Treffen mit dem JBS-Unternehme­r.

Temer hatte vor einem Jahr die linke Präsidenti­n Rousseff abgelöst, die wegen angebliche­r Tricks bei der Budgeterst­ellung suspendier­t und später des Amtes enthoben worden war. Cunha hatte für Temer das Amtsentheb­ungsverfah­ren auf den Weg gebracht, war dann aber über in der Schweiz aufgetauch­te Millionenk­onten gestolpert. Temer hat noch rund eineinhalb Jahre Amtszeit vor sich. Nach den jüngsten Berichten könnte es aber sein, dass auch ihm ein Amtsentheb­ungsverfah­ren droht.

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BILD: SN/APA/ POOL Temer streitet die Zahlung von Schweigege­ld ab.

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