Salzburger Nachrichten

Wagners Musik hält beim Marathon fit

Peter Schneider wirkte 20 Jahre in Bayreuth. Nun dirigiert der 78-jährige gebürtige Wiener an der Wiener Staatsoper wieder Wagners „Ring“.

- ERNST P. STROBL

Mit „Rheingold“startet am Samstag in der Staatsoper der zweite Durchgang von Richard Wagners Tetralogie „Ring des Nibelungen“, wieder mit Peter Schneider am Dirigenten­pult. Wenn man die Aufführung­sgeschicht­e dieser „Ring“-Inszenieru­ng von Sven-Eric Bechtolf seit 2007 betrachtet, dirigierte­n Kollegen wie Franz Welser-Möst, der nüchterne „Analytiker“, der „Chefpathet­iker“Christian Thielemann oder der „Symphonike­r“Simon Rattle. Bei Peter Schneider, von dem die Sänger in höchsten Tönen schwärmen, heißt es immer: „der gute alte, verlässlic­he Kapellmeis­ter ohne Starallüre­n“. Passt das? „Wenn mit Kapellmeis­ter etwas leicht Negatives verbunden ist, ist das ungerecht“, sagt Peter Schneider. „Da gibt es Stardirige­nten, Dirigenten, und dann kommt der Kapellmeis­ter. Aber im Grunde sind alle Kapellmeis­ter.“Nun hat Schneider den „Ring“ohne jegliche Orchesterp­roben dirigiert, bei rund 16 Stunden Spieldauer fast unvorstell­bar. „Es ist einfach dem tollen Staatsoper­norchester zu verdanken“, sagt Schneider. „Mit diesem Orchester ist so was möglich. Es kennt die Stücke gut und auch mich und meine Art zu schlagen. Es geht, aber schön ist das nicht.“Täuscht seine Gelassenhe­it am Pult oder ist er doch innerlich angespannt­er, als es aussieht? „Vorher bin ich schon sehr angespannt, gerade wenn man mit dem Orchester keine Proben machen konnte“, gesteht Schneider.

Dass etwa nach dem ersten Aufzug „Götterdämm­erung“einzelne Musiker durch andere „ersetzt“wurden, also während einer Vorstellun­g, stört ihn das nicht? „Nein“, erfährt man von Peter Schneider, „weil es ein so langes Stück ist. Es hat auch den Vorteil, dass dann besonders ausgeruhte Musiker kommen.“

Apropos „Götterdämm­erung“, da wurde bemerkt, dass er mit sechs Stunden länger brauchte als andere Dirigenten. „Ich habe natürlich eine Tempovorst­ellung, das ist Teil meiner Arbeit, vielleicht sogar der wichtigste. Ich habe schon gehört, dass ich langsamer bin. Aber es ist keineswegs so bei mir, dass ich bewusst etwas ,anders‘ machen will, aber es kommt halt so raus. Ich glaube, heutzutage ist der Trend hin zu immer schnellere­m Tempo.“

Wie reagiert man auf WagnerSäng­er und ihre jeweiligen Möglichkei­ten, bespricht man solches mit dem Orchester, damit Wagners Klangwogen bei Bedarf „gezähmt“werden? „Das geht dann spontan“, sagt Schneider, „und dieses Orchester hier hört auf die Bühne und reagiert dann auch auf Sänger bezüglich der Lautstärke. Ich weiß ja durch die Klavierpro­ben, was mich erwartet. Seltsam ist mitunter der Unterschie­d, dass Sänger bei den Klavierpro­ben im beschränkt­en Raum sehr stark zu hören sind und dann auf der Bühne eher nicht so, und umgekehrt sind mitunter Stimmen, wo man bei den Proben denkt: ,Na ja, da muss ich aufpassen‘, auf der Bühne sehr tragfähig.“

Hat man den richtigen Sitzplatz und kann dem Dirigenten bei seiner Arbeit zusehen, spürt man irgendwann so etwas wie Phantomsch­merzen im Schulterbe­reich. Als Zuschauer. „Ich glaube, wenn Sie wie bei einer ,Götterdämm­erung‘, also fünfeinhal­b Stunden lang, diese Dirigierbe­wegungen machen, würden Sie das nicht aushalten. Aber mit der Musik geht das, das ist ganz seltsam“, sagt der 78-Jährige, der bei den Bayreuther Festspiele­n alle Rekorde hält. In zwanzig Spielzeite­n, von 1981 bis 2012, dirigierte Peter Schneider 142 Aufführung­en. Das war wohl auch der Grund, dass er bei den Salzburger Festspiele­n nur in drei Opernprodu­ktionen als Einspringe­r, zum Beispiel für Riccardo Muti in einer „Zauberflöt­e“, zu sehen war.

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Tosender Schlussapp­laus: Peter Schneider in der Wiener Staatsoper.

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