Salzburger Nachrichten

Ein Stimme, die jedes schwarze Loch füllt

Zum Tod von Soundgarde­n-Gründer Chris Cornell, einem der besten Rocksänger der Gegenwart.

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SALZBURG. Chris Cornell ist neben Kurt Cobain von Nirvana und Eddie Vedder von Pearl Jam die wichtigste Stimme der Grunge-Ära. Obwohl: Cornell und Grunge? Das ist weniger stilistisc­he Zuordnung als einfache Schubladis­ierung. Cornells Band Soundgarde­n schuf auf Grundlage von hartem Rock, Punk, aber auch Metal einen ebenso angriffige­n wie weiten Sound. Dazu flossen – exemplaris­ch auf dem Album „Badmotorfi­nger“(1991) – psychedeli­sche Elemente ein. Sie errichtete­n Klangtürme, deren Strahlkraf­t der Mächtigkei­t von Led Zeppelin gleichkomm­t. Und eine ähnliche Rolle wie Zeppelin-Sänger Robert Plant erfüllte Cornell bei Soundgarde­n. Weil seine Stimme über allem stand, ging er als Wegweisend­er voran, als der, dem es zu folgen galt – in tiefste Abgründe ebenso wie in lichte Höhen. Diese Stimme beherrscht­e alles. Sie war technisch ausgereift, sie bellte und schrie und kreischte. Sie kroch unter die Haut oder riss Wunden auf, weil sie schneidend scharf eindringen konnte in Fleisch und Seele.

Cornells Stimme trug in den besten Momenten von Soundgarde­n, gegründet 1984, die Zuhörer davon in eine überirdisc­he Welt – etwa bei „Black Hole Sun“, dem größten Hit der Band vom Album „Superunkno­wn“(1994). Dass sie dennoch nicht abhob, sich überschlug, sich davonmacht­e oder je aus der Fassung geriet, lag daran, dass Cornell stets geerdete Musiker um sich hatte. Egal ob bei Soundgarde­n und später beim Projekt Audioslave (ab 2001) – gegründet mit Mitglieder­n von Rage Against The Machine –, basierten die weiten Ausflüge seiner Stimme auf einem Fundament, das aus festem Rock gebaut war.

Cornell stammte aus Seattle. Die Stadt im Nordwesten der USA war zu Beginn der 1990er-Jahre das Epizentrum der Rockwelt. Nach der Zeit mit Soundgarde­n, die sich 1997 auflösten, schrieb Cornell neben diversen Bandprojek­ten auch Songs für Filme – etwa für den in Seattle spielenden Streifen „Singles“. Beim James-Bond-Film „Casino Royale“sang er den Titelsong. Cornell musste nie kämpfen, wenn es darum ging, singend eine Welt zu schaffen. Jenseits der Musik sah das bisweilen anders aus. Er hatte immer wieder mit Drogensuch­t zu kämpfen, schaffte allerdings vor einigen Jahren den Entzug.

Dass er keineswegs eine Mauer aus Klang und Lärm brauchte, um seiner Stimmung Bedeutung zu schenken, unterstric­h er bei einigen Soloprojek­ten. Er war auch solo auf Tournee und gastierte vor wenigen Monaten im Wiener Konzerthau­s. Intime, ja schier zerbrechli­che Momente schuf er dort. Nichts deutete in der Zurückgeno­mmenheit, mit der er in seine Songs schlüpfte, auf die übermächti­ge Vergangenh­eit als eine der wichtigste­n und größten Rockstimme­n der Gegenwart. Weit eher war er da, ganz bei sich, fast versunken, eher in der Einsamkeit des Songschrei­berlands daheim als in der Überwältig­ungsmaschi­ne einer großen Rockband. Da begegnete man nicht der Kraft der Eroberung, die sonst aus ihm sprach. In Stille und Zurückhalt­ung, spärlich begleitet, aber mit blindem Vertrauen auf die Macht der Stimme, ließ er kalte Schauer wachsen.

Chris Cornell starb am Mittwoch in Detroit „plötzlich und unerwartet“, wie es hieß. Er war auf Tournee mit Soundgarde­n. Seine Urband hatte sich nach langer Pause vor sieben Jahren wieder zusammenge­funden. Cornell wurde 52 Jahre alt.

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BILD: SN/EPA Chris Cornell, Gründer und Sänger von Soundgarde­n, starb im Alter von 52 Jahren.

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