Im fairen Handel an die Spitze
Fairtrade-Österreich-Chef Kirner sieht keinen Widerspruch zwischen fairem und freiem Handel. Damit macht er sich nicht nur Freunde.
SN: Bei den wichtigsten Fairtrade-Produkten gab es 2016 teils hohe Steigerungen, aber Fruchtsaft tanzt mit einem Minus aus der Reihe. Warum? Hartwig Kirner: Der gesamte Fruchtsaftmarkt ist im Vorjahr um fast zehn Prozent geschrumpft, wir sind mit minus ein Prozent sehr gut unterwegs. Ein Grund ist das starke Wachstum der Near-Water-Getränke (leicht aromatisiertes Wasser, Anm.) auf Kosten der Fruchtsäfte. SN: Woher kommen die 80 Prozent plus bei fair gehandelten Kakaobohnen? Das war wie das Wachstum bei Kaffee um 17 Prozent vor allem wegen neuer Kunden und Produkte. Wirklich erfreulich sind die 20 Prozent plus bei Bananen. Hier gab es fast keine neuen Kunden außer einigen früheren Zielpunkt-Filialen, Zielpunkt hatte ja keine Fairtrade-Bananen. Das ist also fast alles organisches Wachstum der großen Handelsketten. Deren Bananen-Eigenmarken sind komplett biozertifiziert, also Fairtrade und bio zugleich. SN: Wie hoch ist die Übereinstimmung von Fairtradeund biologischen Produkten? Rund 65 Prozent des Gesamtvolumens sind bio. Bei Bananen sind es 100 Prozent, bei Rosen sind es null, die gibt es nicht auf Bio. Auch beim Fruchtsaft ist der Bio-Anteil null. SN: Gibt es da einen Wettstreit der ethischen Ansprüche, der Kunde muss entscheiden, ob er lieber bio, fair gehandelt oder regional kaufen soll? Da sehe ich überhaupt keine Konkurrenzsituation. Bananen wachsen nicht in Österreich. Konkurrenz könnte es vielleicht bei Zucker oder Honig geben. Aber Europa produziert gar nicht genug Zucker, Honig noch viel weniger. Und beide Produkte sind vom Volumen nicht sehr bedeutend für Fairtrade. Selbst wenn es Überschneidungen geben sollte, wäre es für mich eine optimale Ergänzung. Wenn Fairtrade-Bauern besser behandelt werden, fällt der unfaire Wettbewerbsvorteil mancher Hersteller durch massiv geringere Lohnkosten weg. Wenn man Obst importiert, sollte das fair gehandelt sein, ohne ausbeuterische Strukturen in der Wertschöpfungskette. SN: Österreich liegt beim fairen Handel an fünfter Stelle. Beim geschätzten Fairtrade-Umsatz pro Kopf sind wir unter den Top-5Ländern weltweit. Vielleicht sind wir da sogar zu konservativ. Nummer eins ist mit Abstand die Schweiz, dahinter kommt Großbritannien und dann Österreich, gleichauf mit den Niederlanden und Irland. Der britische Markt ist gerade sehr schwierig, weil dort die Diskonter einfallen wie die Wölfe in eine Schafherde. Und Österreich war wirklich sehr erfolgreich in den letzten Jahren. SN: Warum das gute Abschneiden? Österreich gehört zu den Ländern, wo das Problembewusstsein für globale Strukturen hoch ist und in Kaufentscheidungen einfließt, auch die Diskussion über Handelsabkommen wie TTIP und CETA. Vielen Menschen war gar nicht bewusst, dass ein Drittel der Produktion global gehandelt wird. Das Bewusstsein ist gestiegen, auch die Sensibilität für fairen Handel. SN: Wäre fairer Handel auch mit diesen Abkommen möglich? Ich persönlich glaube – und nicht alle in der NGO-Szene sind meiner Meinung –, dass globaler Handel grundsätzlich sinnvoll ist, schon als friedensstiftende Maßnahme. In Europa sind auch wegen der verschränkten Wirtschaft kaum noch einmal ernsthafte bewaffnete Konflikte denkbar. Das ist sogar zwischen China und den USA ähnlich, auch da hat sich die Rhetorik zuletzt abgeschwächt. Globaler und fairer Handel sind kein Widerspruch. Aber man muss dabei auch den Menschen berücksichtigen, nicht nur ökonomische Messgrößen. Man muss sich überlegen: Was heißt das für die Menschen? Daran hat es gemangelt. Wir sollten in solchen Abkommen auch Sozialstandards festschreiben und einklagbar machen, auch für NGOs. SN: Seit 2016 gibt es auch Fairtrade-Gold. Kommen bald weitere neue Produktgruppen? Wir haben in unserer 2020-Strategie festgelegt, vorerst keine neuen Gruppen zu lancieren, sondern zuerst den Effekt für die Bauern zu erhöhen und ihnen so ein höheres Einkommen zu verschaffen. Derzeit kann nur ein Drittel der Ernte von Fairtrade-Genossenschaften als Fairtrade verkauft werden, zwei Drittel konventionell. Mehr gibt der Markt nicht her. Unser Ziel ist es, über 50 Prozent zu kommen. SN: Gibt es noch Spielraum bei den Spannen für FairtradeProdukte? Wir haben keinen Einfluss auf die Preisgestaltung. Aber wir sehen: Je mehr Hersteller, desto höher ist der Konkurrenzdruck und umso kleiner sind die Spannen. Bei Bananen ist der Preisdruck besonders hoch. Die Handelsspanne ist ja nicht negativ, solange sie nicht überbordend ist. Und das sehe ich bei Fairtrade-Artikeln derzeit nirgends. Es geht immer darum, welche Qualität ich vergleiche. Bei Kaffee etwa ist Fairtrade im Vergleich zum billigsten Robusta relativ teuer. Aber im Vergleich mit Illy oder NespressoKapseln sind viele zertifizierte Artikel sogar günstig. Ein bisschen teurer wird Fairtrade immer sein, weil ja eine Prämie bezahlt wird. Aber insgesamt ist der Preis mittlerweile in einem Rahmen, der Konsumenten kein Problem verursacht.