Prozessbeginn nach Flüchtlingsdrama steht fest
71 Flüchtlinge starben bei der Schlepperfahrt. Die Anklage gibt Einblick in ein brutales Geschäft.
Der Prozess gegen elf mutmaßliche Schlepper, die für den Erstickungstod von 71 Flüchtlingen in einem Kühl-Lkw verantwortlich sein sollen, beginnt am 21. Juni in Ungarn. Den Beschuldigten wird Mord und Schlepperei im Rahmen einer kriminellen Vereinigung vorgeworfen.
Vier weitere Prozesstage sind bis zum 30. Juni geplant. Ein Urteil soll bis Ende des Jahres gefällt werden.
Die Bande, die mit Schlepperei ihr Geld verdiente, soll laut Anklage mehr als 1200 Menschen illegal nach Westeuropa gebracht haben. Dabei kassierte sie insgesamt bis zu 300.000 Euro. Chef der Schlepperbande ist laut Anklage ein 30-jähriger Afghane. Meist verwendete die Bande laut Ermittlern Lieferwagen, die „geschlossen, dunkel und luftlos“waren. Wie dramatisch die Fahrt am 26. August 2015 nach Österreich war, zeigt die Rekonstruktion der ungarischen Staatsanwaltschaft. Um fünf Uhr wurden die 71 Flüchtlinge – 59 Männer, acht Frauen und vier Kinder – an der serbisch-ungarischen Grenze in den Kühl-Lkw gepfercht.
Die Menschen sollten über die ungarische Autobahn nach Österreich geschleust werden. Der Lkw wurde von einem 25-jährigen Bulgaren gefahren. Bereits nach einer halben Stunde machten die Migranten lauthals darauf aufmerksam, dass sie keine Luft mehr bekamen. Das soll der Fahrer gehört und dem Chef gemeldet haben. Doch der habe ihn angewiesen, nicht zu stoppen. Die 71 Menschen erstickten noch in Ungarn. Als der Fahrer und sein Begleiter die österreichische Grenze überfuhren, parkten sie den Lkw auf der A4 bei Parndorf und flüchteten.
Obwohl alle 71 Flüchtlinge bei der Fahrt ums Leben kamen, organisierte die Bande einen Tag später eine weitere Schlepperfahrt. Nur weil sie die Tür des Laderaums mit den Füßen aufstießen, überlebten 67 Menschen die Fahrt. Für vier Angeklagte wurde jeweils eine lebenslange Haftstrafe beantragt, der Antrag gegen die anderen Beschuldigten umfasst befristete Haftstrafen und die Abschiebung aus Ungarn.