Salzburger Nachrichten

Anklage nach Amokfahrt wackelt

Zeugen relativier­ten ihre Aussagen vor Gericht und sorgten beim Prozess für eine Überraschu­ng.

- SN, APA

Im Prozess ist nicht viel von der Anklage wegen versuchten Mordes gegen den angebliche­n Amokfahrer Ibrahim C. übrig geblieben. Weil sich der Vorfall vergangene­n Herbst am Tag der Urteilsver­kündung der Grazer Amokfahrt ereignet hatte, wurde in vielen Medien von einer „Amokfahrt“und einem „Terroransc­hlag“gesprochen. Beim Verhandlun­gsauftakt im Wiener Landesgeri­cht für Strafsache­n zeigte sich ein anderes Bild.

Laut Anklage soll der Installate­ur am 29. September 2016 gezielt und mit hoher Geschwindi­gkeit eine dreiköpfig­e Personengr­uppe angesteuer­t haben, die einen Schutzweg überquert hatte. Ein 53-jähriger Mann habe sich im allerletzt­en Moment mit einem Hechtsprun­g zur Seite retten können, heißt es in der Anklage. Seitdem sitzt der 21-Jährige in U-Haft. Der 53-Jährige relativier­te am Donnerstag aber seine ursprüngli­chen Angaben bei der Polizei, wo er erklärt hatte, „wenige Sekunden“hätten ihn gerettet. Der Zeuge räumte vor Gericht ein, er habe möglicherw­eise bei Rot die Kreuzung überquert: Als das Auto näher kam, sei er praktisch schon auf der Verkehrsin­sel gewesen. Um sich in Sicherheit zu bringen, habe es eines „schnellen Sprungs“bedurft: „Das war alles.“Eine weitere Zeugin zog ihre belastende Aussage komplett zurück. Sie sei unter starken Psychophar­maka gestanden und habe ein Alkoholpro­blem gehabt: „Ich bin betrunken zur Polizei gegangen. Ich hab mir eine Gaudi gemacht.“

Fest steht allerdings, dass Ibrahim C. während der Fahrt „Allahu Akbar“(Gott ist groß) geschrien hatte. Noch bei seiner Festnahme soll er gebetsmühl­enartig „Allahu Akbar“von sich gegeben und erklärt haben, er habe „das für Gott getan“, gab ein Polizist im Zeugenstan­d bekannt.

Der Familie des Angeklagte­n war wiederum aufgefalle­n, dass der 21-Jährige wenige Wochen vor dem inkriminie­rten Geschehen ein verstärkte­s Interesse am Islam entwickelt hatte. Die Terrorermi­ttlungen waren allerdings bereits kurz nach dem Vorfall eingestell­t worden. Die Verhandlun­g wurde wegen weiterer Zeugenbefr­agungen schließlic­h auf den 6. Juli vertagt.

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BILD: SN/APA/HERBERT NEUBAUER Ibrahim C.

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