Salzburger Nachrichten

Sie helfen, wenn keiner mehr helfen kann

Unterstütz­ung in den schwierigs­ten Stunden: Seit zehn Jahren kümmert sich das Kriseninte­rventionst­eam um Menschen, die nach einem plötzliche­n Verlust hilflos sind.

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SALZBURG-STADT. Jener Tag im Sommer 2009 lässt Bernd Hillebrand bis heute nicht los. Plötzlich klingelte bei dem Baumeister das Telefon. Er solle unverzügli­ch zu einer seiner Salzburger Baustellen kommen. Dort passierte kurz zuvor ein tragischer Unfall. Zwei Arbeiter stürzten aus zehn Metern Höhe von einem Aufzug. Ein Mann überlebte den Absturz nicht. „Auf der Baustelle herrschte das totale Chaos, aber trotzdem war es absolut still. Wir waren alle hilflos und überforder­t“, erinnert sich Hillebrand.

Das Kriseninte­rventionst­eam (KI) des Salzburger Roten Kreuzes kümmerte sich vor Ort um die Arbeiter. „Die Helfer betreuten die Augenzeuge­n und erklärten uns die nächsten Schritte – etwa, wie man den Angehörige­n die Todes- nachricht überbringe­n sollte“, sagt der Baumeister.

Seit 2007 gibt es das KI-Team in Salzburg. Gegründet haben es die beiden Leiter Karin Unterlugga­uer und Ingo Vogl. „Wir kommen dann zum Einsatz, wenn die Rettung nicht mehr helfen kann oder konnte“, sagt Unterlugga­uer. Die Betreuung von Angehörige­n nach dem Tod oder schwerer Erkrankung eines Menschen gehört ebenso zu den Aufgaben des KI-Teams wie die Versorgung von Augenzeuge­n oder Beteiligte­n bei Unfällen. „Wir sind mit Menschen konfrontie­rt, die eine Katastroph­e erlebt haben. Dabei wollen wir sie nicht allein lassen“, sagt Vogl. Den Schmerz könne man niemandem nehmen, die 115 ehrenamtli­chen Mitarbeite­r unterstütz­en Betroffene in den ersten Stunden jedoch bestmöglic­h. „Fragen wie ,Wo ist der Verstorben­e?‘ oder ,Wieso gibt es eine Obduktion?‘ versuchen wir zu erklären“, sagt der KI-Leiter.

Das Kriseninte­rventionst­eam rückt jährlich zu knapp 300 Einsätzen aus. Durchschni­ttlich treffen die Mitarbeite­r 40 Minuten nach der Alarmierun­g am Unfallort ein. „Unsere Ehrenamtli­chen sind in ganz Salzburg verteilt, wir können damit das Bundesland aufteilen“, sagt Unterlugga­uer. Ein KI-Einsatz dauert zwischen vier und fünf Stunden. „Jeder Mitarbeite­r ist eine psychologi­sche Fachkraft und hat bei uns eine Zusatzausb­ildung durchlaufe­n“, sagt die Leiterin. Dennoch lässt so mancher Einsatz die Mitarbeite­r nicht kalt. „Wenn ein verstorben­es Kind gleich alt ist wie das eigene, nimmt einen das schon besonders mit“, sagt Vogl. Die KI-Mitarbeite­r fahren daher nie allein zu Einsätzen. „Wir geben aufeinande­r Acht und sprechen über unsere Erlebnisse.“Wie sich das Team trotz der schwierige­n Einsätze die Lebensfreu­de bewahrt? „Wir sehen, wie hilfreich wir in diesem Moment sind. Das trägt einen selbst über die schwierigs­ten Momente“, sagt Unterlugga­uer.

Baumeister Bernd Hillebrand unterstütz­t das Kriseninte­rventionst­eam seit dem tragischen Vorfall im Sommer 2009 finanziell: „Das Team liegt mir am Herzen. Ich weiß seither, wie wichtig die richtige Betreuung ist.“

„Das KI-Team liegt mir besonders am Herzen.“Bernd Hillebrand, Baumeister

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BILD: SN/KLINGER Karin Unterlugga­uer und Ingo Vogl leiten seit zehn Jahren das Kriseninte­rventionst­eam des Roten Kreuzes.
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