Google baut am „Star Trek“-Traum
Die umfassende künstliche Intelligenz ist greifbar. Eine Vision, die uns vieles abverlangt.
Auf den ersten Blick sind es nur lauter kleine Funktionen, mit denen künstliche Intelligenz das Leben der Nutzer von Google-Diensten leichter machen soll. Etwa der neue Dienst Lens, der Objekte vor der Smartphone-Kamera automatisch erkennt – egal, ob es sich um eine Pflanze oder ein Gebäude handelt. Oder die EchtzeitÜbersetzung von Kurzmitteilungen in andere Sprachen. Oder der vernetzte Lautsprecher „Home“, der die Nutzer anhand der Stimme unterscheiden kann. Sagt man also: „Okay, Google, rufe Mama an“, weiß der smarte Lautsprecher ganz genau, wessen Mutter gemeint ist. Die Vision: Der Google Assistant, die künstliche Intelligenz dahinter, soll überall sein. Auf der Armbanduhr, im Auto, auf dem Smartphone – neuerdings auch als iPhone-App.
Es ist letztlich der Traum vom Computer aus „Star Trek“, der nicht mehr Science-Fiction ist, sondern auf einmal greifbar nahe scheint. Durch die sprechende Software soll man auf ganz natürliche Weise mit einem Computer kommunizieren können. „Es sollte der einfachste Weg sein, etwas zu erledigen“, sagte Forschungschef Scott Huffman auf der Entwicklerkonferenz Google I/O, die noch bis heute, Freitag, abgehalten wird. Es sei der Übergang von einer „Mobile First“-Welt, in der sich alles um das Smartphone drehte, zu einer, in der künstliche Intelligenz den Ton angibt, ergänzte Google-Chef Sundar Pichai.
Nicht nur Google ist mit seinem Assistant auf dem Weg dorthin, sondern auch Amazon mit Alexa, Apple mit Siri, Microsoft mit Cortana. Und Google konkurriert auch mit Facebook. Wenn die besten Fotos einer Party mithilfe von Google-Technologie wie von Geisterhand unter allen Anwesenden ausgetauscht werden, könnte daraus eine attraktive Alternative zu Facebook-Diensten wie Instagram oder WhatsApp werden.
Datenschützer werden diese Szenarien eher fürchten – denn der ungewollte Austausch sensibler Informationen ist nur einen Klick entfernt. Der Trend scheint aber unaufhaltsam: Am Ende verschmelzen die vielen kleinen Funktionen und Datenschnipsel zu einem allwissenden Computer. Er weiß etwa, wo man sich gerade aufhält (dank GPS). Und er weiß wahrscheinlich, was man als Nächstes vorhat (dank Terminkalender). Es ist, als hätte man einen unsichtbaren Butler, der einem immer über die Schulter schaut. Man kann darin aber auch einen Aufpasser sehen. Wird der Komfort die Ängste um die eigene Privatsphäre verdrängen? Denn schließlich kann ein Assistent nur wirklich dienlich sein, wenn man für ihn ein offenes Buch ist.
Zumindest Google setzt schon ganz auf diesen Zug. Auf der I/O wurden die Informationen zur neuen Version des SmartphoneSystems Android fast schon beiläufig zusammengefasst. Früher wäre das der Mittelpunkt der Entwicklerkonferenz gewesen. Aber künftig sollen das Smartphone und andere Geräte nur noch das Portal zwischen Mensch und künstlicher Intelligenz sein – zumindest, wenn es nach Google geht.