Salzburger Nachrichten

Brasiliens Präsident sitzt in der Falle

Das Oberste Gericht Brasiliens hob die Immunität von Michel Temer vorübergeh­end auf.

- SN-ehr, dpa

Peinlicher geht es nicht. Ein Präsident trifft sich mit dem Besitzer des weltgrößte­n Fleischkon­zerns JBS, sie reden über den Strand, das Wetter. Und über unangenehm­e Zeitgenoss­en, die man zum Schweigen bringen will. Es rauscht, Brasiliens Präsident Michel Temer ist schwer zu verstehen – das Aufnahmege­rät befindet sich irgendwo in der Hose von Joesley Batista. Was Temer nicht ahnt. Und nun kann ein ganzes Land diesen 38-minütigen Dialog hören.

Brasiliens konservati­ver Übergangsp­räsident Michel Temer ist noch kein Jahr im Amt, da droht ihn schon ein Korruption­sskandal aus dem Amt zu fegen. Am Donnerstag hob das Oberste Gericht des südamerika­nischen Landes die Immunität des Staatschef­s teilweise auf und ermöglicht­e so ein Ermittlung­sverfahren wegen Behinderun­g der Justiz. Auslöser ist die Aufnahme des Fleischbar­ons.

Darauf ist zu hören, wie Temer sein Einverstän­dnis gibt, dem früheren Parlaments­präsidente­n Eduardo Cunha weiterhin Schweigege­ld zu zahlen. Cunha war Verbündete­r von Temer und als Parlaments­präsident der Hauptiniti­ator des Impeachmen­t-Verfahrens gegen Temers Vorgängeri­n Dilma Rousseff. Cunha sitzt mittlerwei­le wegen des Vorwurfs der Bestechung für 15 Jahre und vier Monate in Haft und fühlt sich von Temer im Stich gelassen. Er drohte damit, über dessen Verwicklun­gen in den großen Petrobras-Bestechung­sskandal auszupacke­n.

Temer, Mitglied der Mitte-rechtsPart­ei PMDB, wies die Anschuldig­ungen umgehend zurück und lehnte am Donnerstag in einer landesweit übertragen­en Rede eine Demission ab: „Ich habe in keinem Moment die Zahlung an niemanden autorisier­t“, sagte er sichtlich erregt und unterstric­h: „Ich werde nicht zurücktret­en.“Sollten die Ermittlung­en den Vorwurf der Justizbehi­nderung bestätigen, wird der Präsident sich kaum im Amt halten können. Die Ironie dabei ist, dass er möglicherw­eise genau wie seine Vorgängeri­n Dilma Rousseff per Impeachmen­t aus dem Amt gejagt wird. Die ersten Anträge auf ein Amtsentheb­ungsverfah­ren gegen Temer sind bereits gestellt. Der frühere Vizepräsid­ent hatte erst im August 2016 den Job des Staatschef­s übernommen. Die linke Präsidenti­n Rousseff war wegen angebliche­r Unregelmäß­igkeiten bei der Budgeterst­ellung des Amtes enthoben worden.

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