Einmal Europa und retour
Auf jahrelange Flucht folgt immer öfter die Abschiebung. Der Protest dagegen wird lauter.
Vier Angestellte des staatlichen Fernsehsenders kamen ums Leben, außerdem ein Wachmann, ein Fahrer und zwei Polizisten. Es war ein Anschlag von IS-Terroristen, der am vergangenen Mittwoch die ostafghanischen Großstadt Dschalalabad erschütterte. „Ich habe über die sozialen Medien davon erfahren, als ich auf dem Weg hierher war“, sagte wenige Stunden später Wasil Faizi vom Kulturverein „Afghan Wulas“in Wien. Gemeinsam mit der „Plattform für eine menschliche Asylpolitik “kündigte er eine Demonstration an, die am heutigen Samstag (ab 14 Uhr auf dem Karlsplatz) unter der Botschaft steht: Afghanistan ist nicht sicher.
Die Organisatoren wollen mit der Kundgebung an die österreichische und europäische Politik appellieren, keine Menschen mehr nach Afghanistan abzuschieben. „Die unfreiwillige Rückkehr in das vom Krieg zerrüttete Land ist lebensgefährlich“, mahnte Michael Genner von der Organisation „Asly in Not“, die Flüchtlinge juristisch berät.
Die Kritik ist nicht neu. Seit Deutschland Abschiebungen nach Afghanistan durchführt, so wie es mittlerweile etwa auch Österreich und Schweden tun, mehren sich die Zweifel, wie sicher das Land wirklich ist. Abgeschoben wird ausgehend von der Annahme, dass zumindest Teile des Landes sehr wohl sicher seien. Die Vereinten Nationen weisen in dem Zusammenhang allerdings darauf hin, dass sich die Lage laufend ändert – man müsste die Situation in den einzelnen Regionen also laufend evaluieren.
Als sicher wurde bislang unter anderem die Provinz Herat im Westen Afghanistans eingestuft. Dorthin wurde laut der „Plattform für eine menschliche Asylpolitik“im Februar ein 19-jähriger afghanischer Flüchtling von Deutschland aus abgeschoben. Sein Vater sei bis in die 1980er-Jahre General in der afghanischen Armee gewesen, heute werde die Familie von den Taliban bedroht. Als Asylgrund wurde das nicht anerkannt, der 19-Jährige wurde abgeschoben – und wenig später von den Taliban in Herat erschossen.
Für Rechtsberater Genner unterstreicht der Fall die Willkür der Asylsysteme. „Natürlich hatte er ein Recht auf Asyl, aber das Asylrecht wurde mit Füßen getreten“, sagt Genner und verweist darauf, dass der Bruder des Mannes wenige Jahre zuvor noch Asyl bekommen habe. Auch in Österreich sei Asyl „mittlerweile zu einem Lotteriespiel geworden“. Für die Asylbewerber hänge viel davon ab, von welcher Einrichtung sie juristisch beraten und betreut würden und an welchen Richter sie gerieten.
Aus Österreich wurden zuletzt vor knapp zwei Wochen zehn Afghanen nach Kabul abgeschoben. In der afghanischen Gemeinschaft steigt damit die Unruhe. Sehr viele Menschen warten schon seit Monaten auf ihre Bescheide. „Viele von ihnen haben Angst“, sagt Morteza Mohammadi vom Verein „Afghanische Jugendliche – Neuer Start in Österreich“. Mit einigen, die bereits abgeschoben wurden, versuchte er in Kontakt zu bleiben. Ein abgeschobener junger Mann habe ihm aus Kabul berichtet, dass er nicht wisse, wie es weitergehen und wo er hin soll. Er sei dann erneut in den Iran geflohen, danach sei der Kontakt abgebrochen.
„Asyl zu beantragen gleicht mittlerweile einem Lotteriespiel.“