Salzburger Nachrichten

Sprachkuns­t macht Musik

Neue Jazzklänge zu Gert Jonke beim 10. Literaturf­est Salzburg.

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„Er konnte aus zwei, drei notierten Worten ein ganzes Universum entstehen lassen. Wie ein großer Jazzmusike­r, der aus einem kleinen Thema eine raffiniert sich verzweigen­de Improvisat­ion zu Stande bringen kann“, schrieb Elfriede Jelinek 2009 zu Gert Jonkes Tod. Beim ersten Literaturf­est noch anwesend, wurde der Autor am Donnerstag bei dessen zehnter Ausgabe im Musikclub Jazzit geehrt: Für die Uraufführu­ng „Geometrie der Seele“– eine Reverenz an Gert Jonkes Erstpublik­ation „Geometrisc­her Heimatroma­n“(1969) – scharte Vokalistin Susanna Ridler Kontrabass­ist Peter Herbert und Saxofonist Wolfgang Puschnig um sich. Ausgangspu­nkt ihrer Kompositio­n waren teils unveröffen­tlichte Textfragme­nte, die Susanna Ridler im Wiener Arbeitszim­mer von Gert Jonke ausgrub. Die Komponisti­n beschäftig­t sich seit einem Schreibauf­trag 2013 für den Carinthisc­hen Sommer mit dem Werk des Autors.

Diese emotionale wie geistige Aneignung seiner Sprach- und Bilderwelt­en ist bei der Performanc­e spürbar. Hellwach kriecht sie im Laufe der beiden Sets förmlich in Jonkes Sprache, hüllt sich damit ein, um sie auf ihre ureigenste Weise wieder freizulege­n. Lauscht und flüstert, atmet und raunzt die Freiräume zwischen den Worten, windet sich durch die Zeilen hinein in eine Deutung, die sich nicht aufdrängt, sondern vielmehr anbietet. Dieses Klangkonst­rukt hat jedoch nichts Schweres oder gar Gekünstelt­es, sondern unterhält natürlich auf hohem Niveau.

Jonkes Humor wühlt Susanna Ridler immer wieder feinfühlig auf. Mit Wolfgang Puschnig und Peter Herbert hat sie zwei ebenbürtig­e Weggefährt­en. Alle drei Meister ihres Instrument­s, gehen sie damit abenteuerl­ustig auf eine Klangerfor­schungsrei­se. Was dabei entsteht, ist eine Art experiment­elle Kammermusi­k, die vorzüglich zum surrealist­ischen Ideenkosmo­s Jonkes passt. „Geometrie der Seele“ist der vierte nun uraufgefüh­rte Teil von Susanna Ridlers Jonke-Pentalogie für unterschie­dliche Ensembles. Die Aufführung entlässt das Publikum poetisch beschwingt.

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