Salzburger Nachrichten

Das Konzept der Tageszeitu­ng ist Vorbild für ein digitales Projekt

Das Magazin „Der Spiegel“wildert im Zeitungsre­vier. Grenzübers­chreitunge­n prägen den neuen digitalen Medienwett­bewerb.

- Peter Plaikner ist Politikana­lyst und Medienbera­ter mit Standorten in Tirol, Wien und Kärnten.

Wöchentlic­h fast sieben Millionen Papierlese­r, monatlich 18 Millionen Unique User der digitalen Angebote: Das Hamburger Magazin „Der Spiegel“duelliert sich mit der „Bild“um die stärkste Medienmark­e in Deutschlan­d. Der Berliner Boulevardt­itel bringt es auf täglich zehn Millionen Print-Leser und monatlich 20 Millionen Bildschirm-Nutzer. Abgesehen vom Fernsehsta­ndbein „Spiegel TV“des ewigen Rivalen liegen die Zeitungsma­cher also vor den Magazinpro­duzenten.

Das ist ein Erfolg der Strategie „Online First“, mit der Axel Springer – das Unternehme­n rund um die „Bild“– sich vom Zeitungsha­us zum Digitalver­lag entwickelt. Die Messlatte dafür war ursprüngli­ch „Spiegel Online“. Die Schmach der einst unangefoch­tenen Führung des Konkurrent­en im Internet sollte getilgt werden. Heute sorgen digitale Kanäle für drei Viertel der – hohen – Springer-Gewinne. „Der Spiegel“hingegen hat laut seinem hauseigene­n Innovation­sreport enormen Nachholbed­arf. Deshalb greift jetzt die Magazinmar­ke den Zeitungsti­tel in seinem ureigenen Terrain an.

Seit Dienstag gibt es jeweils ab 17 Uhr „Spiegel daily“, laut Selbstdars­tellung „die smarte Abendzeitu­ng“. Doch die vier Jahre lang geplante digitale Retourkuts­che erntet vor allem Skepsis bis Häme. „Einmal am Tag die Welt anhalten“– so das Motto – funktionie­rt auf Papier und am Morgen offenbar immer noch besser. Der Bildschirm taugt grundsätzl­ich weniger zur Entschleun­igung. Und für das Fazit zum Tag ist es am Spätnachmi­ttag noch zu früh – vor den Nachrichte­n- und Diskussion­sformaten im Fernsehen.

Unabhängig von diesem Startprobl­em zeigt die Produktide­e, wohin die Reise im universell­en Medienwett­bewerb geht: Markterwei­terung. Der Revierüber­griff zwischen Produktgat­tungen ist ebenso normal wie ausländisc­he Einmischun­g. Während Schweizer Verlagshäu- ser wie Tamedia und die NZZ-Gruppe in Österreich ihre Ausbreitun­g auf den gesamten Sprachraum erproben, war dies bei deutschen Titeln wie „Bild“und „Spiegel“ohnehin immer so. Die Digitalisi­erung wirkt als Turbo dafür.

Für heimische Medienanbi­eter bedeutet das: Zumindest ihre internatio­nale Berichters­tattung unterliegt längst einer grenzenlos­en Konkurrenz. Der Qualitätsd­ruck auf diesen Imagefakto­r verstärkt sich enorm. Die Wettbewerb­sfähigkeit entsteht aber mehr denn je aus nationaler Orientieru­ngsleistun­g. Auch sie wäre für große deutsche und Schweizer Medienhäus­er mit einer eigenen Österreich-Redaktion machbar. Am sichersten können sich Zeitungen mit einer starken regionalen Basis fühlen. Die Engmaschig­keit solcher Informatio­n bleibt das beste Erfolgsrez­ept – trotz aller Digitalisi­erung.

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