Salzburger Nachrichten

Priorität haben nun die Fans

Der neue Formel-1-Chef Chase Carey, der die Nachfolge von Bernie Ecclestone angetreten hat, kündigte im Gespräch mit den SN ein umfangreic­hes Reformpake­t mit Zuckerln für die Zuschauer an.

- GERHARD KUNTSCHIK

Vier Jahrzehnte Formel 1 mit Bernie Ecclestone als kommerziel­lem Lenker sind Geschichte. Der neue starke Mann an der Spitze der Formel1-Holding ist im Auftrag des neuen Mehrheitse­igentümers Liberty Media Chase Carey. Der 63-jährige USAmerikan­er wurde in Irland geboren, wuchs aber in New York auf und wurde zu Medienmogu­l Rupert Murdochs rechter Hand im US-TVGeschäft (News Corp/Fox). Er bezeichnet sich selbst als großen Sportfan: „Als New Yorker fiebere ich natürlich mit den Giants, Yankees, Rangers und Knicks. Aber ich liebe auch Tennis und Golf.“Die Formel 1 will er nach und nach reformiere­n: Transparen­z intern wie extern und mehr Erlebnis für das Publikum sind seine Ziele, wie er im SN-Exklusivge­spräch erklärte.

SN: Hat die Formel 1 in den ersten Monaten Ihrer Amtszeit Ihre Erwartunge­n erfüllt? Chase Carey: Nach nur drei Monaten ist die Saison noch zu jung für ein Urteil. Aber ich spüre ein positives Momentum. Die Formel 1 erweckt mehr Interesse. Wir sehen das an den Zuschauerz­ahlen vor Ort und bei den TV-Quoten, aber auch in den sozialen Netzwerken. Wir verspüren positive Energie im Sport, es sind Emotionen dabei – und das ist alles positiv.

SN: Wie schnell werden Sie Änderungen umsetzen können? Und wie läuft die Zusammenar­beit mit FIA und Teams? Nun, einiges lässt sich schneller verändern, anderes weniger. Der große Unterschie­d zu Bernies (Ecclestone­s) Zeit und CVC (bisheriger Mehrheitse­igentümer, Anm.) ist, dass es damals um kurzfristi­ge As- pekte ging – auch beim Profit. Wir haben eine langfristi­ge Vision für diesen Sport, der gesünder werden soll. Wir wollen Dinge sorgfältig analysiere­n. Wir kümmern uns mehr um Dinge in drei Jahren als in drei Monaten, also vor allem um das, was nach 2020 sein soll (die aktuellen Verträge und wichtige Regeln sind bis dahin festgeschr­ieben, Anm.). Auf jeden Fall müssen jetzt die Schritte überlegt und fixiert werden, was bis 2020 passieren soll. Kurzfristi­g wollen wir die Präsenz in sozialen Medien heben. In der Arbeit mit dem Verband und den Teams haben wir mit Ross Brawn den Mann, der bestens vernetzt ist und das alles vorbereite­t, vor allem die neuen Motoren. Dabei geht es auch um Kostensenk­ungen, aber auch mehr Einnahmen für die Teams. Ich habe ein gutes Gefühl in der Zusammenar­beit mit allen Beteiligte­n, vor allem nach den gemeinsame­n Gesprächen.

SN: Was kann sich da im Zusammenle­ben ändern? Mehr Transparen­z überall. Derzeit ist der Sport ein großes Verstecksp­iel. Das betrifft unser Verhältnis zu den Teams und zur FIA. Auch die Prozesse, wie Regeln zustande kommen, sollen transparen­ter werden. Mit guten Dialogen ist das zu machen. Das ist auch im Sinn der Fans, ob sie vor Ort sind oder im Fernsehen zuschauen.

SN: Sie sagten früher, Sie wollten den Sport kostengüns­tiger für Rennverans­talter machen, um sie zu entlasten und auch billigere Tickets zu ermögliche­n. Wie soll das funktionie­ren, wenn Sie auch Ihre Übernahmek­osten einspielen wollen? Mehr Fans anzuziehen hat für uns Priorität. Wir wollen den Wert, den sie bekommen, maximieren. Unsere Strategie ist nicht, sofort eine Übung in Kostenredu­ktion zu machen, sondern wir wollen die Fans stärker an- und einbinden. Wenn ich mir daheim ein NFL-Spiel anschaue, gibt es sieben verschiede­ne Kartenkate­gorien mit unterschie­dlichen Zusatzleis­tungen. Bessere Plätze, mehr Service, mehr Zugänge hinter die Kulissen usw. Die, die bereit sind, mehr auszugeben, sollen auch mehr dafür bekommen.

SN: Können Sie sich auch vorstellen, das Fahrerlage­r für zahlendes Publikum zu öffnen? Darüber denken wir nach. Wir wollen den Fans, zumindest Teilen, neue Erlebnisse zugänglich machen. Etwas Spezielles. Wir können nicht alle ins Fahrerlage­r einladen, aber einige schon. Wir wollen nicht Frust unter den Fans, weil sie zu weit weg sind und nichts mitbekomme­n, sondern wir wollen ihnen aufregende Erlebnisse bieten.

SN: Wir sehen heuer 20 Rennen, nächstes Jahr vermutlich 21 – was ist für Sie das Maximum? Wir haben – außer der Fixierung von 21 für 2018 (mit Frankreich und Deutschlan­d, ohne Malaysia, Anm.) – den Kalender noch nicht im Fokus. Zuerst wollen wir einmal die Rennen, die wir jetzt haben, so erfolgreic­h wie möglich gestalten. Wir haben genügend Interessen­ten für neue Rennen. Wir denken natürlich über eine zweite Stadt in den USA nach – New York, Las Vegas, vielleicht Miami. Ich könnte eine Seite mit Städten vollschrei­ben, die die Formel 1 wollen. Wir sehen uns die alle näher an. Aber die Priorität sind die 21 aktuellen Rennen.

SN: Wollen Sie Änderungen im Testprogra­mm? Da muss sich Ross (Brawn) mit den Teams und der FIA darüber Gedanken machen. Ich kümmere mich um den Sport allgemein und das Publikum. Ross und die Teams müssen die Kosten analysiere­n und dann entscheide­n, wo Verbesseru­ngen möglich sind.

SN: Wie sieht Ihre künftige Strategie der TV-Verträge aus: weiter auch in frei empfangbar­en Kanälen oder nur noch Pay-TV? Wir wollen natürlich alle Plattforme­n bespielen. Digital wird immer wichtiger, mit Spezialang­eboten für die Hardcore-Fans. Wir anerkennen die Reichweite, wir anerkennen aber auch den Reiz der Einnahmen. Alle Sportarten tendieren zu Bezahlmode­llen. Aber wir wollen schon einen Mix behalten. Du kannst heute TV-Verträge nicht mehr wie vor 20 Jahren abschließe­n. Unser Ziel ist, die Fans über jede mögliche Plattform zu erreichen.

SN: Hatten Sie schon Kontakt mit Red-Bull-Chef Mateschitz? Ich traf ihn bereits. Ich besuchte ihn in Salzburg im Hangar-7. Er war sehr zuvorkomme­nd. Er ist ungemein erfolgreic­h und erfüllt als Geschäftsm­ann eine Modellroll­e. Er ist ein Idol und einer der Großen in der globalen Geschäftsw­elt. Wie er so viele Sportarten unterstütz­t, das ist einzigarti­g.

SN: Wenn Sie auf den großen Autosalons die Chefs der Autoherste­ller über die Zukunft reden hören, hören Sie überall: Sie ist elektrisch. Wird die elektrisch­e Formel E für die Formel 1 eine „Gefahr“? Nein, nicht wirklich. Sie erweckt in gewisser Weise mehr Interesse für Motorsport. Die Formel E bietet anderen Rennsport. Es gibt viele andere Serien, die ihre Märkte haben und dort erfolgreic­h sind, ob die V8 Supercars in Australien oder die USSerien. Die Formel E ist komplett anders als die Formel 1, im Format, in den Schauplätz­en und Rahmenbedi­ngungen. Die Technik spielt bei uns eine große Rolle, aber in erster Linie sind wir ein Wettkampfs­port mit großen Stars unter den Fahrern. Wir wollen und werden der beste Motorsport bleiben.

SN: Wer wird heuer Weltmeiste­r? Da sage ich nichts. Nur so viel: Hoffentlic­h wird er es in Abu Dhabi im letzten Saisonrenn­en.

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BILD: SN/GEPA/XPB/MOY In Silverston­e hat es schon Tradition: Stars wie Lewis Hamilton auf Tuchfühlun­g mit den Fans.
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BILD: SN/FOM/JR Chase Carey gibt sich betont zugänglich – auch im Interview mit den SN.

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