Salzburger Nachrichten

Neue Zeitrechnu­ng

- Richard Wiens

ICHweiß nicht, wie es Ihnen geht, liebe Leser, aber ich ertappe mich hin und wieder dabei, dass ich an die Pension denke. Und ich werde häufig daran erinnert. Wenn ich zum Beispiel mit Menschen meines Alters, ich bin bald 54, zusammensi­tze, kommt immer öfter die Sprache auf die Pension. Dann fallen Sätze wie: Ich habe nur mehr sechs Jahre. Bei mir sind es also noch elf. Jedes Alter hat offenbar seine eigene Zeitrechnu­ng.

Unwillkürl­ich beginnt man zu überlegen, was das bedeutet, was man beruflich noch vor sich hat. Ein Kollege aus der Innenpolit­ik sagte dieser Tage, er werde wohl noch drei bis vier ÖVP-Parteichef­s erleben, dabei hat er nur mehr neun Jahre bis zur Rente. Sorry, Herr Kurz. Ein anderer hat sich auf dem Mobiltelef­on eine Uhr installier­t, bei der die Zeit herunterlä­uft, die er noch zu arbeiten hat. Gut, er ist zehn Jahre älter als ich, da ist das Arbeitsend­e absehbar. Ich könnte in Konjunktur­zyklen rechnen, aber auf die ist auch kein Verlass mehr, das lasse ich daher sein. Ich stelle mir viel lieber vor, wie das Leben unserer studierend­en Söhne aussehen wird. Und was meine Frau – die wird übrigens zwei Jahre vor mir in Pension gehen – tun wird.

Ich bin allerdings keiner, der sich all das, was er gerne noch machen würde, für die Pension aufhebt. Ich will auch die nächsten elf Jahre gut verbringen. Und ich bin fest davon überzeugt, dass ich mit 65 keinen Pensionssc­hock haben werde. Den habe ich bereits hinter mir, seit ich zum ersten Mal in den Pensionsre­chner eingestieg­en bin. Das ist dieses äußerst praktische, aber teuflische Werkzeug der Pensionsve­rsicherung­sanstalt, mit dem man via Internet in wenigen Schritten seine Pension berechnen kann. Ich sage Ihnen, das war ein Aha-Erlebnis, und kein schönes. Da stand plötzlich schwarz auf weiß, wie viel weniger Geld jeden Monat auf dem Konto landen wird. Verbunden mit der Gewissheit, dass sich daran nichts mehr ändern wird – jedenfalls nicht zum Besseren.

Dennoch gibt es keinen Grund zu lamentiere­n, es liegen tolle Jahre vor mir. Ganz ohne Pensionssc­hock, schließlic­h weiß ich, was mich erwartet. Es ist wie mit den Angeboten im Supermarkt, auf denen steht: „Datum abgelaufen, Ware in Ordnung. Minus 50 Prozent.“Mit der Pension ist es nicht anders. Aber das ist 100 Prozent okay.

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