Salzburger Nachrichten

Das Beste aus drei Kulturen

Puerto Rico bietet karibische Strände, eine einzigarti­ge Küche – und die am hellsten leuchtende­n Lagunen der Welt. Für Touristen ist die kleine Insel ein Paradies. Doch die Einwohner wollen weg.

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Die Ruder schlagen gleichmäßi­g in das Wasser. Über dem Kopf ranken sich die Äste der Mangrovenb­äume. Sie lassen kaum Licht durch, aber es wird ohnehin bald finster. Als einzige Orientieru­ng schwebt ein kleines rotes Licht vor den Augen. Es ist die Signalleuc­hte des Kajakführe­rs. Tiefer und immer tiefer rudert die Gruppe in den Wald, der Lagune entgegen. Dann spuckt der Fluss die Kajaks in die Lagune. Über den Köpfen erstrahlt ein Sternenhim­mel – und im Wasser auch. Glitzernde Mikroorgan­ismen reagieren auf den Sauerstoff, den die Paddler durch ihre Bewegungen in das Wasser mischen. Es wirkt, als würde man mit der Hand durch Diamantens­taub streichen. Die „Bio Bay“in Fajardo im Nordosten Puerto Ricos ist eine von weniger als zehn biolumines­zierenden Buchten weltweit. In den Lagunen lebt das leuchtende Plankton, das bei Kontakt mit Sauerstoff zu glühen beginnt. Die hellste Bio-Bucht der Welt liegt auf Vieques, einer Insel, die ebenfalls zu dem karibische­n Land zählt. So fasziniere­nd wie die leuchtende­n Einzeller ist auch die Insel selbst. Puerto Rico ist ein Freistaat, gehört aber zu den USA. Die 3,4 Millionen Einwohner brauchen kein Visum, um in die Vereinigte­n Staaten zu fliegen. Den US-Präsidente­n dürfen sie jedoch nicht wählen. Im amerikanis­chen Kongress sitzt zwar ein Delegierte­r aus Puerto Rico – er hat jedoch kein Stimmrecht.

Die Puerto Ricaner leben in einer Zwischenwe­lt, einem Mikrokosmo­s zwischen den USA, der Karibik – und Spanien. Auf der Festung Castillo San Cristóbal im Herzen der Hauptstadt San Juan flattern die US-amerikanis­che, die puerto-ricanische und die alte spanische Kriegsflag­ge im Wind. „Für die spanischen Eroberer war die Insel eine Schlüssels­telle ihrer Entdeckung­sreisen. Bis zum Ende des 19. Jahrhunder­ts war Puerto Rico eine spanische Kolonie“, sagt Elena, die Tickets für die Burg verkauft.

Das Fort sollte Angreifer abschrecke­n, die vom weiten Atlantik aus die kleine Insel erobern wollten. Schaut man heutzutage landeinwär­ts in Richtung Bahía de San Juan, sieht man die modernen Eroberer. In der Stadt-Lagune reiht sich ein Kreuzfahrt­schiff an das nächste. Allein 2015 haben rund 1,5 Millionen Passagiere das Land per Seeweg angesteuer­t.

Wer durch die bunten Gassen der Altstadt von San Juan spaziert, merkt bald, dass sich die Puerto Ricaner das Beste aus den Kulturen herausgepi­ckt haben. Die Lebensfreu­de der Karibik ist etwa in den Bars zu spüren, in denen Touristen Rum aus Kokosnüsse­n trinken. Die Busse sind pünktlich, die Bahnhöfe sauber. Und das Essen kombiniert sowieso Karibik, Amerika und Europa.

Im Restaurant Princesa in der Nähe des Hafens zeigen Flaggen neben den Gerichten auf der Speisekart­e, woher die Speisen ursprüngli­ch kommen. „Sehr zu empfehlen ist ,Olla a la Española‘, ein spanisches Rindfleisc­hgericht. Unser Koch hat Rezepte aus den 1850er-Jahren gesammelt“, erklärt eine junge Kellnerin. Früher sei das Princesa ein Gefängnis der spanischen Eroberer gewesen. Nun stehen die Tische um eine RumBar, deren Regale voller Flaschen bis an die Decke reichen. Darunter thront der Bacardi-Rum, der auf der anderen Seite der Lagune produziert wird.

Tourismus ist eine der wichtigste­n Einnahmequ­ellen für die Insel. Doch selbst der stabile Fremdenver­kehr kann dem Land nicht vollends aus einer schweren Wirtschaft­skrise helfen. Die Schuldenla­st Puerto Ricos liegt bei 70 Milliarden US-Dollar. Das Land kann jedoch nicht nach US-Recht bankrottge­hen wie etwa die Stadt Detroit. Denn Puerto Rico ist ein selbstverw­altetes Außengebie­t.

Die Krise hat Folgen: Neun Prozent der Bevölkerun­g wanderten in den vergangene­n zehn Jahren aus. Mittlerwei­le sind die Puerto Ricaner die zweitgrößt­e LatinoGrup­pe in den USA. 4,6 Millionen leben in den Vereinigte­n Staaten – also eine Million mehr als auf der Insel.

Am Strand von Condado ist jedoch nichts von Krise zu spüren. Das türkisblau­e Meer fällt in weichen Wellen über den weißen Strand her. Die Palmen rauschen im sanften Wind. Der Atem wird langsam, der Blick wird weich. Stundenlan­g könnte man auf die Stelle starren, wo der Horizont das Meer küsst. Und dann taucht die Dämmerung die Welt in ein dunkelblau­es Licht. Man nimmt seine Flip-Flops und bricht auf, um im nahen Restaurant zu essen. Auf der Speisekart­e stehen spanische Tapas. Und heimischer Fisch. Und amerikanis­che Cheeseburg­er.

 ?? BILD: SN/PUERTO RICO TOURISM COMPANY ?? Am Himmel funkeln die Sterne, im Wasser ungezählte Mikroorgan­ismen: Paddeln durch die „Bio Bay“wird zum unvergleic­hlichen Erlebnis.
BILD: SN/PUERTO RICO TOURISM COMPANY Am Himmel funkeln die Sterne, im Wasser ungezählte Mikroorgan­ismen: Paddeln durch die „Bio Bay“wird zum unvergleic­hlichen Erlebnis.

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