Der Seelenkontinent verdunkelt sich
Ein reicher Europäer lässt sich in Afrika nieder, lässt die Liebe verdorren und wird aus der Bahn geworfen.
Schön, aber gefährlich, weitgehend unverständlich sowieso, so stellt sich für Georg M. Oswald Afrika dar. Ganz Afrika? Nein, auf einer Insel vor Kenia, wo ein Anwalt aus Deutschland, der mit nichts Schlimmem rechnet, mit seiner erheblich jüngeren Freundin einen kurzen Aufenthalt plant, herrschen undurchsichtige Verhältnisse. Wer das Sagen hat, ist ungewiss, Gesetze gelten nichts, und wer europäische Standards der Menschenrechte erwartet, wird der Naivität geziehen. „Es geht hier nicht um irgendwelche Rechte. Die existieren nur in deinem Kopf.“
„Gegenseitiger Respekt sei die Grundlage von allem“, muss Hartmut Wilke erstaunt lernen. Und: „Das Schlimmste, was man tun könne, sei, den Leuten die eigene Sichtweise aufzwingen zu wollen, das sei ja leider das Hauptproblem aller Europäer und insbesondere der Deutschen.“Dieses Toleranzedikt ist jedoch Bluff. Das Sagen haben Warlords, die mit der Polizei gemeinsame Sache machen und über Bestechung den Bewohnern Sicherheit garantieren. Wenn dann und wann einer ermordet wird, gewöhnt sich der Bürger daran, weil er weiß, dass ihn Fragen in Not bringen würden. Einheimische und reiche Auswanderer bilden eine Gemeinschaft der Blinden, die sich in Sicherheit wähnen, solange sie wegschauen.
Man muss von Ahnungslosigkeit umnebelt sein, um das gut zu finden. Hartmut Wilkes Sohn hat sich dort eine Existenz aufgebaut. Er weiß mehr von den hinterhältigen Strukturen der Unterdrückung und des Terrors, immerhin spielt er mit, aber Not und Elend der anderen kümmern ihn nicht. Gut, dass sich Georg M. Oswald nicht als ein Fanatiker des Exotischen erweist, der jede Gewalt billigt, nur weil es sich um eine Kultur handelt, deren Denken und Fühlen wir mit unserer europäischen Auffassungsgabe nicht verstehen können. Er nimmt die Perspektive des deutschen Anwalts ein, und der lässt sich von falschen Autoritäten, durch kein Gesetz legitimiert, nicht unterkriegen. Nie kooperiert er mit Tätern.
Die politische Dimension macht nur die Hälfte – und zwar die schwächere – des neuen Romans von Oswald aus. Reißerisch erzählt er von Gewalt, Entführung, Erpressung, die Beteiligten sehen aus wie einem Musterkatalog des Bösen entnommen. Bekanntschaft machen wir mit einem Bilderbuch-Afrika des Schreckens.
Wichtiger als die plakative Geschichte ist die Wildnis der privaten Misere, in die sich der Anwalt verstrickt. Seine Seele ist der eigentlich schwarze Kontinent, auf dem die Beziehungsschlachten geführt werden. Er verrät seine Frau, die Kinder sind ihm zu Fremden geworden, er ist die europäische Ausführung eines Terroristen des Herzens. Er tötet nicht, er lässt verdorrte Lieben zurück. So etwas lässt Oswald nicht ungestraft geschehen. Am Ende sehen wir einen geläuterten und verarmten früheren Star der Gesetzeswelt als Hilfsdiener in jenem afrikanischen Touristenort, der ihn beinahe das Leben gekostet hätte. Die Geschichte spiegelt das Seelendrama eines Menschen, der aus der Bahn geworfen wird.
Wie in früheren Büchern bedient sich Georg M. Oswald, gelernter Jurist, der Spannungsliteratur, um unter der Hand unsere Gegenwart zu beschreiben. Da er gefallen will, rutscht er oft ins Plakative, weil sich – alte Buchhändler-Regel – Sensationen verkaufen.