Salzburger Nachrichten

Coder gesucht!

Die Wirtschaft braucht immer mehr Programmie­rer. Doch wer bildet solche aus? Etwa die erste „Code School“Österreich­s. Aber auch andere Bildungsei­nrichtunge­n rüsten auf.

- RALF HILLEBRAND

Wenn man Eberhard Gräther danach fragt, wie es um seine Programmie­rfähigkeit­en vor Studienbeg­inn bestellt war, fällt die Antwort eindeutig aus: „Null, überhaupt kein Vorwissen.“Mittlerwei­le hat der 27Jährige sein Bachelorst­udium Multimedia­technology an der FH Salzburg abgeschlos­sen. Sein Masterstud­ium pausiert gerade, da er sich auf sein Unternehme­n konzentrie­rt. Gräther hat gemeinsam mit anderen FHStudente­n Coati gegründet, eine Software-Firma. Der Großarler hat sich in wenigen Jahren zu einem Top-Programmie­rer gemausert, einen Sommer lang hat er etwa für Google gearbeitet. Freilich gehöre viel Fleiß dazu, sagt Gräther. „Aber Coden (Programmie­ren, Anm.) kann man gut lernen.“

Diese Aussage ist offenbar noch nicht breitenwir­ksam durchgesic­kert. Obwohl beinahe gebetsmühl­enartig betont wird, dass der ökonomisch­e Trend in Richtung Industrie 4.0, also Digitalisi­erung und IT geht, gibt es laut Wirtschaft­svertreter­n in Österreich immer noch verhältnis­mäßig wenig Programmie­rernachwuc­hs. Und das lässt sich auch faktisch belegen. Lediglich 53.000 und somit 15 Prozent aller Universitä­tsstudente­n fallen nach Daten der Statistik Austria in den Bereich „Technik“. Zum Vergleich: Die Geisteswis­senschafte­n zählen beinahe die doppelte Zahl an Studierend­en (95.000). An den Fachhochsc­hulen ist die Situation schon eine andere. Von den rund 50.000 ordentlich­en FH-Studenten im Winterseme­ster 2016/2017 belegten fast genau 40 Prozent (20.100) den Bereich „Technik, Ingenieurw­issenschaf­ten“.

„Österreich­s IT-Markt wächst doppelt so schnell wie die Gesamtwirt­schaft. Und dennoch fehlen aktuell bis zu 3000 Fachleute“, sagt auch Helen Monschein, Presse- und Marketingv­erantwortl­iche bei der CodeFactor­y Vienna. Die CodeFactor­y ist nach eigener Angabe „die erste spezialisi­erte Programmie­rschule Österreich­s“. Anfang dieses Jahres öffnete die Ausbildung­sstätte auf einem Fabriksgel­ände im 15. Bezirk ihre Tore, vor wenigen Tagen startete eine breitere Medienoffe­nsive. Das Konzept dahinter soll bewusst flexibel gehalten sein: „Wir erforschen den IT-Markt wochenweis­e, suchen nach am meisten gefragten Programmie­rsprachen und nehmen sie in unser Curriculum auf.“Konkret werden drei Kurse angeboten, der Fokus ist unverkennb­ar auf Webprogram­mierung gelegt. Der Premium-Kurs „Full Stack Web Developmen­t“, der sich vom 3. Juli bis zum 13. Oktober zieht, kostet rund 4000 Euro, einzelne Basiskurse (an einem Wochenende) werden ab 290 Euro angeboten. Der Praxisbezu­g ist den Initiatore­n besonders wichtig: „Man erhält die Möglichkei­t, das Erlernte sofort in die Praxis umzusetzen, und bekommt die Fähigkeit an die Hand, seine Kenntnisse selbststän­dig weiterzuen­twickeln.“

Für Andreas Uhl, Leiter des Fachbereic­hs Computerwi­ssenschaft­en an der Uni Salzburg, wird das Nachwuchsp­roblem in der IT aber nicht vorrangig durch neue Ausbildung­sangebote gelöst werden. Es gebe schlichtwe­g zu wenige, die sich für den Bereich interessie­rten – und zwar in der gesamten westlichen Welt. Doch woran liegt das? „Eines der Probleme ist die Schule“, sagt Uhl. Die schulische Annäherung an das Themenfeld sei „katastroph­al“: In acht Jahren AHS gebe es etwa nur ein Jahr lang verpflicht­enden Programmie­r- oder IT-Unterricht. „Und da lehren zum Teil Leute, die noch nicht einmal richtig dafür ausgebilde­t sind.“Wenn es nach Uhl geht, müssten Akzente schon im Kindergart­en oder in der Volksschul­e gesetzt werden. Erste Initiative­n gebe es bereits. Aber der Computerwi­ssenschaft­er macht auch bei den Studenten selbst Probleme aus. IT-Fähigkeite­n bekomme man nicht einfach im Vorbeigehe­n. „Man muss intensiv lernen und arbeiten. Und dazu sind offenbar viele nicht bereit.“Und Uhl nimmt die Wirtschaft selbst in die Pflicht. Obwohl die Betriebe „furchtbar jammern“würden, seien sie nicht bereit, entspreche­nde Gehälter zu zahlen. „Die Löhne gehen nicht wirklich rauf“, ergänzt der Fachbereic­hsleiter.

Eine andere Barriere löse sich hingegen mittlerwei­le langsam auf. Das Klischeebi­ld des „nerdigen“Programmie­rers, der einsam im Kämmerchen sitzt, verschwind­e immer mehr: „Als Informatik­er muss man teamfähig sein – und auf den Kunden zugehen können.“Ähnlicher Ansicht ist auch Programmie­rer Eberhard Gräther, wobei er den Trend als relativ jung ausmacht. „Der Fokus auf den Endkunden, die User-zentrierte Entwicklun­g ist erst in den vergangene­n zehn Jahren so richtig aufgekomme­n“, sagt der 27-Jährige.

Um das Nachwuchsp­roblem zu lösen, muss laut Uhl ebenso die „Schieflage“bei der Ausbildung noch stärker angegangen werden: Ein Großteil der Informatik­interessie­rten studiert an der TU oder Uni Wien. Dies gehe so weit, dass sich die Wiener Universitä­ten am Rande ihrer Kapazitäte­n bewegten, während die Bundesländ­er „mehr Leute ausbilden könnten“. Der Fachbereic­h Computerwi­ssenschaft­en an der Uni Salz- burg zählt pro Jahr lediglich 80 bis 90 Anfänger.

Um dem Ungleichge­wicht entgegenzu­wirken, setzen vor allem Fachhochsc­hulen bewusst Schwerpunk­te. Die FH Salzburg bietet etwa drei einschlägi­ge Studiengän­ge an, neben dem erwähnten Multimedia­technology noch Multimedia­arts sowie Informatio­nstechnik & System-Management. Aber der FH ist bewusst, dass das reine akademisch­e Angebot wohl nicht ausreichen wird, um deutlich mehr angehende Programmie­rer zu locken. Seit Herbst 2016 finden deshalb monatliche Treffen des „Coding Clubs“an der Fachhochsc­hule statt, in dem Fachthemen angeschnit­ten werden. Der kostenlose Club richtet sich nach FH-Angaben an „(fast) alle Altersgrup­pen – von Schülern bis zu Pensionist­en“. „Wir sehen uns auch als Hochschule für Technik. Deshalb setzen wir im Bereich Informatik bewusst Schwerpunk­te“, ergänzt Sigi Kämmerer, Kommunikat­ionschef an der FH Salzburg. „Mit der Digitalisi­erung braucht es diese Kompetenze­n mehr denn je.“

Einem ähnlichen Ansatz folgt die FH Oberösterr­eich. An der Fakultät für Informatik, Kommunikat­ion und Medien in Hagenberg werden sieben Bachelor- und zwölf Masterstud­iengänge angeboten, 1500 Studenten nutzen das Angebot. Die SoftwareEn­gineering-Studiengän­ge (Bachelor und Master) seien jene, in denen Softwareen­twicklung und damit das Programmie­ren den breitesten Raum einnähmen, sagt Heinz Dobler, Studiengan­gsleiter des Bachelorst­udiums Software Engineerin­g. „Wirtschaft, Industrie, Verwaltung und auch öffentlich­e Einrichtun­gen haben derzeit schon einen großen Bedarf an Mitarbeite­rn in diesem Bereich“, sagt Dobler. Und dieser Bedarf werde noch weiter steigen. Deshalb werde es noch wichtiger, Programmie­rkenntniss­e zu vermitteln. „Ob man damit allerdings schon in der Volksschul­e beginnen muss, ist eine andere Frage.“

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