Burn-out ist der neue Stress
Wer das Glück hat, einen Job zu haben, sieht sich neuen Gefahren ausgesetzt. Nicht an allen sind die bösen Arbeitgeber schuld.
Die Zeiten, als Daten vom Arbeitsmarkt den Österreichern ein verlässliches Erfolgserlebnis bescherten, sind vorbei. Den Spitzenplatz als Land mit einer der niedrigsten Arbeitslosenraten der Eurozone haben wir eingebüßt. Und auch wer einen Arbeitsplatz hat, ist bedroht. Ein Drittel der unselbstständig Beschäftigten sieht sich selbst in Gefahr, auszubrennen, „in ein Burn-out zu gehen“, heißt das heute. Und noch einmal jeder Dritte hat einen Kollegen, der mit dieser Diagnose bereits im Krankenstand war. Arbeitsmediziner bestätigen den spürbaren Anstieg bei „ausgebrannten“Arbeitnehmern, auch die Diagnosen psychischer Erkrankungen nehmen zu.
Das klingt alarmierend, wenn man sich ansieht, wie Experten die hohen Werte begründen. Da ist die Rede von steigendem Zeitdruck und der seelischen Belastung. Das vermittelt das Bild einer näher kommenden Gefahr, nach dem Motto „Fürchtet euch!“. Doch es ist nicht alles Schwefel, was stinkt. Nimmt man die Zahlen genauer unter die Lupe, stellt sich das Gesamtbild gar nicht mehr so einseitig pessimistisch dar.
Da zeigt sich, dass die subjektive Belastung der Arbeitnehmer seit Jahren abnimmt, dass sich Beschäftigte also am Arbeitsplatz weniger belastet fühlen. Gab vor zehn Jahren fast jeder zweite an, er stehe in der Arbeit stark unter Zeitdruck, ist es heute nur jeder vierte, der Wert hat sich also halbiert.
Wie geht das zusammen? Eine Erklärung lautet, dass sich das Leben insgesamt so sehr beschleunigt hat, dass nicht mehr speziell die Arbeit als belastend empfunden wird, sondern das hohe Tempo schon als normal erlebt wird.
Einleuchtend, wenn man sieht, wie viele Menschen jede freie Minute ihrem Mobiltelefon widmen, lesen, schreiben, spielen, sich keine Ruhe gönnen. Überhaupt wird es immer schwieriger, eine Trennlinie zu ziehen zwischen (unfreiwillig) beruflicher und (freiwillig) privater Reizüberflutung. Das heißt: Nicht jeder Stress am Arbeitsplatz ist die Schuld des Arbeitgebers. Daher ist übertriebener Alarmismus ebenso unangebracht wie blauäugig naive Verharmlosung.