Die letzte Chance für die Bildungsreform
Die Schulautonomie wurde monatelang verhandelt. Nun droht sie in den Wogen des beginnenden Wahlkampfs unterzugehen. Daran ist nicht nur die Regierung schuld.
WIEN. In Südtirol wird sie kommendes Jahr volljährig: die Schulautonomie. Nach heftigen Diskussionen im Jahr 2000 eingeführt, gebe es heute – so Südtiroler Praktiker, die am Montag auf Einladung von Unterrichtsministerin Sonja Hammerschmid (SPÖ) in Wien waren – keinen Schuldirektor mehr, der die Autonomie an sich oder die Sinnhaftigkeit von Zusammenschlüssen (Schulcluster) infrage stelle. Im Gegenteil könne sich kaum mehr jemand vorstellen, dass es je anders gewesen und zentralistisch aus Rom verordnet worden sei, was wann wie zu geschehen habe.
Was Josef Watschinger, Leiter eines Clusters aus fünf Grundschulen und einer Mittelschule mit insgesamt 550 Kindern im Pustertal, an der Schulautonomie besonders gefällt: „Dass sie nicht übergestülpt ist, es ist umgekehrt: Wir haben die Möglichkeit, die Schule zu machen, die wir brauchen.“Von „seinen“sechs Schulen – darunter eine Privatschule, die, wie Watschinger sagt, aus freien Stücken andockte, „um den Anschluss nicht zu verlieren“– habe jede ein eigenes Profil, aber alle Lehrer bildeten gemeinsam ein Kollegium, was in jeder Hinsicht hilfreich sei.
Es habe „Jahre gedauert“, bis die neuen Freiheiten durchwegs als die Chance erkannt worden seien, die Schulen an ihr „Umfeld anzupassen“, bekannte Peter Höllriegl, Schulamtsleiter seit dem Jahr 1985. Je nach Schule sei damit im Lauf der Zeit unterschiedlich umgegangen worden. Manchen sei der Rahmen, innerhalb dessen sie autonom agie- ren könnten, bereits zu eng, andere hätten ihre Möglichkeiten noch nicht ausgeschöpft. Franz Tutzer, ebenfalls seit Jahrzehnten im Schulbetrieb, erklärt sein Verständnis von Schulautonomie so: Als „Auftrag der Gesellschaft an die Schulen, sich so zu gestalten, wie sie für die Schüler am besten ist“. Er leitet unterdessen eine Fachoberschule für Landwirtschaft plus eine Wirtschaftsoberschule. Auf den ersten Blick passten die zwei Schulen nicht wirklich zusammen, im Alltag ergäben sich aber eine Menge Synergien und – da wir dort – Möglichkeiten, das Angebot zu erweitern.
Alle drei Südtiroler Praktiker betonen, Autonomie allein sei noch kein Garant dafür, dass Bewegung in die Schule komme. Während der ersten Jahre sei ausreichend begleitende Beratung notwendig, damit auch allen klar werde, was möglich sei und was nicht. Gezeigt habe sich auch, dass neue Arbeitsverträge und eine Anpassung der Kollektivverträge notwendig seien.
Unterrichtsministerin Hammerschmid, die am Montag an die Verantwortung aller Parteien appellierte, das Schulautonomiepaket nicht scheitern zu lassen, hat noch einige Hürden zu nehmen. Derzeit wird das mit der Gewerkschaft erzielte Verhandlungsergebnis in Gesetzesform gebracht, dann wird es in deren Gremien diskutiert – frühestens kommende Woche. Dann ist die Politik am Zug. Da manche Punkte eine Zweidrittelmehrheit brauchen, geht es – auch wenn die ÖVP bei ihrer Zustimmungszusage bleibt – keinesfalls ohne Opposition.
Die FPÖ hat mehr oder weniger schon abgewinkt, die Grünen knüpfen zahlreiche Bedingungen an ihr Ja. So wollen sie etwa, dass das gesamte Bundesland Vorarlberg zu einer Modellregion für die gemeinsame Schule der Zehn- bis 14-Jährigen wird. In dem vorliegenden Gesetzesentwurf sind diese Regionen auf 15 Prozent der Schüler oder 15 Prozent der Schulen begrenzt. Darauf hatte die ÖVP gedrängt, um der Einführung der Gesamtschule und dem Ende der Langform des Gymnasiums durch die Hintertür einen Riegel vorzuschieben. Die Grünen wiederum berufen sich bei ihrer Forderung auf den Wunsch des Landes Vorarlberg, die gemeinsame Schule der Zehn- bis 14-Jährigen erproben zu wollen.
Allerdings: Beim Land Vorarlberg hält man von diesem Ansinnen der Grünen wenig. Aus dem Büro von Landeshauptmann Markus Wallner (ÖVP) heißt es, dass eine derartige Gesetzesänderung derzeit nicht notwendig sei und nicht mit der derzeit diskutierten Autonomiepaket verknüpft werden müsse. Vorarlberg hat sich zwar entschlossen, eine Schule der Zehn- bis 14-Jährigen zu entwickeln. Allerdings hat diese nichts mit den derzeitigen Vorstellungen von Gesamtschule zu tun. Derzeit arbeiten in Vorarlberg Experten, Eltern und Lehrer daran, wie eine solche Schule aussehen könnte und welche Voraussetzungen notwendig sind, damit sie eingeführt werden kann.
Was dabei herauskommt, ist vollkommen offen. Es sei ein jahrelanger Prozess und der sei bis zum Jahr 2025 angelegt, heißt es aus dem Büro des Landeshauptmanns. Bis es wirklich zur Umsetzung komme, könnten die rechtliche Voraussetzungen immer noch beschlossen werden. Eine Umstellung und die Erprobung eines neuen Schulsystems gehe ja nicht von einem Tag auf den anderen, sondern benötige ausreichend Zeit.