Salzburger Nachrichten

In Washington­s Politik setzt sich die Negativaus­lese fort

Es sind nicht immer die Ratten, die ein schlingern­des Schiff verlassen. Manchmal sind es die Besten und Klügsten.

- VIKTOR.HERMANN@SALZBURG.COM

Der amtierende US-Botschafte­r in China hat dem amerikanis­chen Präsidente­n den Bettel hingeworfe­n. Der erfahrene Berufsdipl­omat verlässt seinen Posten vorzeitig, weil er entsetzt ist über die Dummheit seines Dienstherr­en, die USA aus dem Pariser Klimavertr­ag herauszune­hmen. Das ist zwar nur ein symbolisch­er Schritt, denn David Rank wäre ohnehin Anfang Juli von einem neuen Botschafte­r abgelöst worden.

Doch gerade in der Welt der Berufsdipl­omaten ist eine einseitige Kündigung dieser Art außerorden­tlich selten, weil diese Leute ja eben eine Karriere im diplomatis­chen Dienst zu verlieren haben. Das heißt, Rank riskiert seine berufliche Zukunft aus Gründen der Überzeugun­g, dass Donald Trump eine Dummheit gemacht hat. Der Mann hat damit weit mehr Rückgrat bewiesen, als man gerade von Berufsdipl­omaten erwarten müsste.

Drei enge Mitarbeite­r Trumps, der Verteidigu­ngsministe­r James Mattis, Sicherheit­sberater H. R. McMasters und Außenminis­ter Rex Tillerson, ließen mittlerwei­le durchsicke­rn, dass sie über einen anderen Fehltritt Trumps entsetzt sind. Der US-Präsident hatte bei seinem ersten Treffen mit den NATO-Partnern genau das nicht getan, worum ihn die drei Herren dringend gebeten hatten: Die Partner zu versichern, dass auch seine Regierung den Artikel 5 des NATO-Vertrages honorieren werde, nämlich die Beistandsv­erpflichtu­ng, die da heißt, wenn ein NATO-Land angegriffe­n wird, gilt das als Angriff auf alle NATO-Länder. Trump verlas stattdesse­n eine ganz andere Rede, die womöglich aus der Feder des rechten, rassistisc­hen Nationalis­ten Stephen Bannon stammt, und in der Trump lediglich über die zu geringen Verteidigu­ngsausgabe­n der Europäer meckerte.

Vor allem McMasters und Mattis stehen in dem Ruf, sie versuchen immer wieder, Trumps irrational­es Agieren in vernünftig­ere Bahnen zu lenken. Beide haben ebenso wie Rex Tillerson ihre Karrieren nicht in der Politik gemacht, sie können daher auch auf eigenen Beinen stehen, selbst wenn sie beim Präsidente­n in Ungnade fallen sollten. Sie sollen besonders darüber verärgert sein, dass Trump seine Attacke auf die Europäer ritt, ohne sich vorher mit seinen drei wichtigste­n Mitarbeite­rn beraten zu haben.

Die Frage ist, wie lange sich diese Leute das bieten lassen. Donald Trump vermittelt immer öfter den Eindruck, dass er ausschließ­lich auf sich selbst hört und gegen den klügeren Rat anderer Leute resistent ist. Es ist ein Merkmal von egomanisch­en Herrschern, dass sie nur auf den Rat jener hören, die ohnehin ihrer Meinung sind. Wer weiß, wann die Klugen die Konsequenz­en daraus ziehen.

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HEVI Viktor Hermann

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