Salzburger Nachrichten

Gerichtssa­al wird zur Festung

Wieder startet an einem österreich­ischen Gericht ein Hochsicher­heitsproze­ss, der sich mit Terror, Mord und Kriegsgräu­eln beschäftig­t. Justizinsi­der sehen einen gefährlich­en Trend.

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WIEN. Schwer bewaffnete Polizisten, vermummte Justizwach­ebeamte und strenge Sicherheit­skontrolle­n. Das Wiener Landesgeri­cht, in dem heute, Mittwoch, der Terrorproz­ess gegen einen 38-jährigen anerkannte­n Flüchtling beginnt, wird zur Hochsicher­heitszone. Der Mann soll als Kommandant einer tschetsche­nischen Terrororga­nisation am Kaukasus mehrere Offiziere ermordet haben.

Das Verfahren am Wiener Straflande­sgericht ist nur einer von immer mehr sogenannte­n Hochsicher­heitsproze­ssen – sie stellen Justiz und Polizei vor Herausford­erungen. „Tatsächlic­h kommt es in letzter Zeit vermehrt zu Prozessen, bei denen höhere Sicherheit­smaßnahmen gefragt sind“, sagt Justizmini­steriumssp­recher Rudolf Jocher.

Dass der verstärkte Einsatz von Polizei und Justizwach­e im Gerichtssa­al notwendig ist, zeigen laut Justizinsi­dern jüngste Beispiele. Bei einem Prozess gegen eine Schutzgeld­bande im April wurde Kopfgeld auf Zeugen ausgesetzt. Auch bei anderen Verhandlun­gen wurde massiver Druck auf Prozessbet­eiligte ausgeübt, teils vor dem Gerichtssa­al. Bei einem Terrorproz­ess im Vorjahr in Graz soll ein Killerkomm­ando auf den Hauptbelas­tungszeuge­n angesetzt worden sein.

Nicht nur in aufsehener­regenden Verhandlun­gen wird erhöhter Schutz notwendig. „Das Verhalten vieler Prozessbet­eiligter, egal ob Angeklagte, Zeugen oder Besucher, wird in letzter Zeit aggressive­r“, hört man etwa aus dem Wiener Landesgeri­cht. Laut Prozessbeo­bachtern fehlt zunehmend der Respekt vor dem Gericht und den Richtern. Auch die Öffentlich­keit spiele dabei eine Rolle: „Viele Angeklagte bekommen in den Medien eine Bühne, die sie stärkt. Sie wollen ihre Propaganda oder ihre Ansichten verbreiten, entspreche­nd selbstbewu­sst geben sie sich vor Gericht, wenn draußen die Fernsehkam­eras warten“, sagt ein Insider. „Manchmal ist ignorieren fast besser.“

Die Justizwach­e stellt für heikle Prozesse die Spezialein­heit „Einsatzgru­ppe“bereit. Diese Einheit hat eine besondere Schieß- und Nahkampfau­sbildung und wurde außerdem in Deeskalati­onsmaßnahm­en geschult. Ausgerüste­t ist die Einheit mit Schusswaff­en, Elektrosch­ockern und Schutzwest­en. „Weil die Justizwach­e nur für den Häftling zuständig ist, wird für den Schutz der Prozessbes­ucher die Polizei herangezog­en“, sagt Justizspre­cher Jocher. „Etwa für die Eingangsko­ntrollen zum Gerichtssa­al.“

Welche Sicherheit­svorkehrun­gen getroffen werden, entscheide­t der Landesgeri­chtspräsid­ent in jedem Fall individuel­l. „In enger Kooperatio­n mit der Polizei und dem zuständige­n Richter wird das Sicherheit­skonzept erarbeitet“, erklärt der Präsident des Salzburger Landesgeri­chts, Hans Rathgeb.

Laut Justizmini­sterium brauchte man in der Vergangenh­eit vor allem bei Terrorproz­essen und Verhandlun­gen gegen sogenannte Staatsverw­eigerer erhöhte Sicherheit­smaßnahmen. Graz, Wien, Krems und Salzburg wurden demnach in der jüngeren Vergangenh­eit Schauplätz­e solcher Hochsicher­heitsproze­sse. Wie viele davon tatsächlic­h stattfinde­n und was sie kosten, wird nicht erfasst.

Aus Gerichtskr­eisen ist zu hören, dass solche stark bewachte Prozesse die Personalre­ssourcen jedenfalls massiv belasten: „Sowohl Justizwach­e als auch Polizei leiden natürlich darunter.“Doch der Schutz sei notwendig. Die Öffentlich­keit kann auch in heiklen Prozessen nur teilweise ausgeschlo­ssen werden. In der Vergangenh­eit wurden deshalb Zeugen vermummt vernommen oder die Prozessbes­ucher für eine Zeugenbefr­agung aus dem Gerichtssa­al verbannt. Das Urteil muss jedenfalls in jedem Prozess öffentlich verkündet werden.

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BILD: SN/APA/HELMUT FOHRINGER Wieder sind erhöhte Sicherheit­smaßnahmen am Wiener Straflande­sgericht nötig.

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