Nicht alle lassen umrüsten
Bis Ende des Jahres sollte die Umrüstaktion im Zuge der Dieselaffäre abgeschlossen sein. 77 Prozent sind geschafft, es gibt wenige Reklamationen. Da kommt bereits ein neuer Rückruf.
SALZBURG. Kalt erwischt. So könnte man die Situation im VW-Konzern wohl derzeit am besten ausdrücken. Gerade als sich nach mehr als eineinhalb Jahren nach dem Platzen des Dieselskandals die Wogen ein wenig geglättet hatten und das Aufräumen mit Strafzahlungen in den USA und Umrüstungen in Europa dem Ende zusteuert, gibt es neue Vorwürfe. Audi soll die Käufer ihrer Flaggschiffe (A7, A8) getäuscht haben. Abgaswerte sollen durch Manipulation geschönt worden sein. So sagt es zumindest der deutsche Verkehrsminister Alexander Dobrindt, Audi spricht hingegen von technischen Fehlern. Das Ergebnis: Stickoxidwerte überschreiten den Grenzwert bis zu 100 Prozent.
Mit 24.000 Autos in Europa sind diesmal relativ wenige Fahrzeuge betroffen. Doch Audi-Chef Rupert Stadler goss selbst Öl ins Feuer, indem er Dobrindt scharf attackierte, weil dieser die Öffentlichkeit informiert hatte. Daraufhin hatte VW das ganze Wochenende damit zu tun, dies wieder zu glätten. Das Kommunikationsdebakel ist perfekt. Stadlers Verbleib als Chef sehr ungewiss.
Zumindest eine kleine gute Nachricht gibt es für Österreich. Hatte man beim Generalimporteur Porsche Holding Salzburg (PHS) vor Pfingsten noch damit gerechnet, dass hierzulande 1700 Audi vom neuerlichen Rückruf betroffen sind, sind es in Wirklichkeit nur 423. Für den Technik-Leiter der Porsche Austria, Johann Schmidinger, keine große Sache. Denn man hat mittlerweile viel Erfahrung, was das Umrüsten im Zuge der Dieselaffäre anbelangt. 388.000 Autos der Marken Audi, Seat, Skoda, Porsche und VW sind in Österreich betroffen, mittlerweile wurden aber die Autos von 77 Prozent der erreichten Kunden umgerüstet. Das vom deutschen und österreichischen Verkehrsministerium vereinbarte Ziel ist eine 85-Prozent-Quote bis Jahresende. Erreicht werden kann nicht, wessen Auto im Ausland oder bereits verschrottet ist. Dann gibt es aber auch Kunden, die ihre Autos nicht umrüsten lassen wollen. 1496 sind es in Österreich, 475 von ihnen haben illegal getunte Autos.
In Österreich und Deutschland sind nicht alle Kunden nach der Umrüstung zufrieden. Sie klagen über Mehrverbrauch beim Sprit oder Leistungsabfall. Bisher wurden österreichweit 260.000 Autos umgerüstet, „und es hat sehr wenige Reklamationen gegeben“, sagt Technik-Chef Schmidinger. Diese seien aber vielfältig. Da man akkurat im Jänner und Februar bis zu 2000 Autos pro Tag umgerüstet hat, klagten damals Kunden über Mehrverbrauch. „Das hat aber an der ungewöhnlich langen und strengen Kälteperiode gelegen“, erklärt Schmidinger. Auch defekte Bauteile wurden reklamiert. Schmidinger betont, dass beim Abgassystem viele Bauteile wie Abgasrückführungsventile oder Temperaturfühler mitwirkten, und diese Teile defekt werden können. „Doch die Software verursacht niemals Bauteile-Schäden.“Und die Umrüstungen sind in allen Fällen Software-Updates, mit Ausnahme von 1,6 Liter-Motoren, bei denen zusätzlich ein Strömungsgleichrichter eingebaut wird. Bei den Software-Updates für die Motorsteuergeräte werden unter anderem zusätzliche Einspritzpunkte hinzugefügt, der Einspritzdruck und die Abgasrückführungsrate erhöht. Soll heißen: Wenn ein Bauteil in zeitlicher Nähe zur Umrüstung kaputtgehe, sei dies Zufall, erklärt Schmidinger. Nichtsdestotrotz lässt die PHS hier nach eigenen Angaben Kulanz walten. Es gibt auch lustige Rückmeldungen: Ein Kunde meinte, seine Navigationsdaten seien durch die Umrüstung durcheinandergeraten.
Kunden bekommen nach der Umrüstung eine Bestätigung, dass Abgaswerte eingehalten werden und es bei Verbrauch und Geräuschen zu keiner Verschlechterung kommt. Getestet wurde am Rollenprüfstand und im Echtbetrieb gemeinsam mit dem Kraftfahrtbundesamt. Als kleine Entschädigungsgeste gibt es bei Österreichs Händlern Dienstleistungskarten (TopCard) im Wert von 250 Euro beziehungsweise für jene 40.000 Kunden, die künftig mehr AdBlue (Harnstofflösung) brauchen, eine Kompensation für Mehrverbrauch.
Warum fast zwei Jahre nach Beginn der Dieselaffäre bei Audi wieder Unregelmäßigkeiten entdeckt werden, erklärt man sich in Salzburg mit der Komplexität. Allein für die 388.000 umzurüstenden Autos hierzulande braucht es 2000 verschiedene Software-Versionen.