Wieder lockt in Paris die Kür
Dominic Thiems Trainer vor dem vertagten Viertelfinal-Schlager gegen Novak Djokovic über den Weg an die Spitze und offene Kritik.
Hört es auf zu regnen? Wenn ja, wann? Spiel ich dann überhaupt noch? Letztere Frage konnte sich Thiem am Dienstag mit Nein beantworten. Sein mit Spannung erwartetes Viertelfinalduell mit Novak Djokovic bei den French Open wurde nach stundenlangem Warten auf heute, Mittwoch (11 Uhr/live ORF Sport+ und Eurosport), vertagt.
Damit bekommen die Zuschauer heute einen Großkampftag mit zwei Damen- und allen vier HerrenViertelfinalspielen geboten. Und der Wetterbericht verheißt Gutes. Vielleicht auch für Thiem, denn kein Regen bedeutet keinen tiefen Boden und damit schnellere Bedingungen und höheren Ballabsprung, was dem Spiel des rot-weiß-roten Stars zugute kommt. Wenngleich es nicht allzu warm wird.
Thiem kann also heute wieder das machen, womit er die Fans begeistert: Mit spektakulärem Tennis. Doch die Tage in Paris sind für ihn auch dann von großer Aufmerksamkeit für seine Person geprägt, wenn er nicht zum Schläger greift. Unzählige Interviews, Selfies mit Fans und anerkennende Worte aus dem Tennis-Zirkus. Und sein Coach Günter Bresnik beobachtet sein „Meisterstück“, wie er Thiem bezeichnet, mit großer Freude.
Vor einem Jahr hatte Bresnik mit Thiem das große Ziel erreicht: Sein erstes Grand-Slam-Semifinale und die Top Ten. „Wir hatten die Pflicht erledigt. Alles, was in Dominics Karriere noch folgen würde: Kür. Selbst wenn er kein einziges Match mehr gewinnen würde: Das Projekt von Dominic, seiner Familie und mir war ab diesem Moment ein Erfolg“, schreibt Bresnik in seinem Buch „Die Dominic-Thiem-Methode“und bezeichnete den Tag als „größten Tag meiner Laufbahn“.
Doch die Reise war freilich nicht zu Ende, im Gegenteil. Thiem hat sich in den Top Ten gehalten, hat sogar das Masters der besten acht Spieler zu Saisonende erreicht und ist auch 2017 auf dem besten Weg dahin. Umso mehr erstaunt manche Beobachter, wie unverblümt Bresnik seinen Schützling nach durchschnittlichen Leistungen kritisiert. Bresniks Ansatz ist aber einfach erklärt: Wer noch weiter nach oben will, der muss nach Perfektion streben. „Was wäre ich für ein Trainer, der sich nicht sagen traut, was er schlecht macht? Da würde ich die Achtung vor mir selbst verlieren“, erklärt Bresnik der APA.
Der Vater von vier Töchtern weiß um die Möglichkeiten seines „Lebenswerks“. „Ich weiß, wie gut Dominic ist. Und für mich ist es hoffentlich nie vorbei, solange Dominic Tennis spielt“, versprach Bresnik neuerlich, Thiem bis ans Karriere-Ende weiterbegleiten zu wollen. Das Potenzial hat er an einem Glanztag im Viertelfinale von Rom gezeigt. Auch wenn das noch ein Ausreißer nach oben war: „Nadal wurde von Dominic vom Platz geschossen. Die Durchschnittsgeschwindigkeit der Schläge, behaupte ich, ist bei ihm immer höher als von allen anderen. Und körperlich steht er da wie ein Büffel.“
Nun galt es noch, auch ein Rezept für Djokovic zu finden. Ein anderes Spiel als das aggressive, schnelle mit extremem Drall kommt aber für Bresnik nicht infrage. „Es muss so gut werden, dass er auch gegen solche Leute gewinnen kann.“Wer Thiem in Matches und Training beobachtet, seine Einstellung kennt, hat keine Zweifel: Dieser Tag wird kommen. Vielleicht ja schon heute? Es wäre eine weitere Kür.