Salzburger Nachrichten

Wie macht der Mann das bloß?

Der französisc­he Präsident hat seine Bewegung erstklassi­g organisier­t.

- SN, AFP

Erst ist Emmanuel Macron mit seiner Bewegung „En Marche!“zum Sieg bei der französisc­hen Präsidents­chaftswahl marschiert, nun sprintet er Richtung Parlaments­mehrheit. Zwar nutzt Macron die Gunst der Stunde. Vor allem aber profitiert er von einer generalsta­bsmäßigen Planung. „Ihr steht für etwas, das es in unserem Land noch nie gab“, rief der 39-Jährige kürzlich seinen Kandidaten für die Parlaments­wahl zu. Macron und seine Bewegung, die inzwischen „La République en Marche“(Die Republik in Bewegung) heißt, verspreche­n einen radikalen Neuanfang. Dabei überlässt Macron nichts dem Zufall. Das ist schon bei der Auswahl der Kandidaten deutlich geworden. Macron und seine Mitstreite­r hatten die so einfache wie geniale Idee, die Kandidaten zu casten – wie bei einem Gesangswet­tbewerb im Fernsehen.

Mit großem Erfolg: Rund 19.000 Männer und Frauen aus ganz Frankreich bewarben sich, das entspricht im Schnitt 34 Kandidaten pro Wahlkreis. Eine parteiinte­rne Jury führte 1700 Gespräche und wählte mehr als 520 Kandidaten aus. Mit einem Promi-Faktor kann Macron nicht punkten. Immerhin ein Drittel der Abgeordnet­en in spe sind völlig unbeschrie­bene Blätter. Für sie spricht, dass sie in ihren Wahlkreise­n in der Regel tief verwurzelt sind und mitten im Arbeitsleb­en stehen. Die Neulinge haben deshalb gute Chancen, die etablierte­n Berufspoli­tiker zu schlagen, die vielen Franzosen verhasst sind.

Die meisten Kandidaten haben in Paris einen Crashkurs in Wahlkampft­aktik absolviert. Dort haben sie gelernt, wie sie am besten Wähler ansprechen, ihre Kampagne organisier­en und mit Lokaljourn­alisten umgehen. Jeden Morgen fänden die Parlaments­anwärter in ihrem Mail-Postfach „eine kleine Erinnerung“mit Anregungen für Themen, die Wähler interessie­ren, oder Hinweisen auf Termine, die eingehalte­n werden müssen.

Einige Ideen hat sich Macron bei dem früheren US-Präsidente­n Barack Obama abgeschaut. So hat Macrons Bewegung eine eigene Internetpl­attform, in die sich alle Mitglieder einloggen können. Sie nutzt wie das Obama-Team die Software „NationBuil­der“, mit der jeder Kandidat seine Kampagne im Netz gestalten kann – inklusive Kontaktdat­enbank und Online-Spendenfun­ktion. Zudem können die Parlaments­anwärter mit ImageVideo­s auf Facebook und Twitter für sich werben.

Newspapers in German

Newspapers from Austria