Die EU drängt auf Brexit-Start
Werden die Verhandlungen über den Austritt Großbritanniens aus der EU wie geplant beginnen? Wer wird verhandeln? Das sind nur zwei Fragen, die das britische Wahlergebnis aufwirft.
BRÜSSEL. So schön hatte sich die bisherige britische Premierministerin Theresa May das ausgedacht: Zehn Tage nach den vorgezogenen Parlamentswahlen, die sie stärken würden, sollten die Verhandlungen über den Austritt Großbritanniens aus der EU starten. Am Starttermin 19. Juni für die Brexit-Gespräche werde festgehalten, sagte May noch am Freitag. Was die Wahlschlappe der Konservativen für den Verlauf der Verhandlungen bedeutet, war allerdings mehr als unsicher.
EU-Kommissionspräsident JeanClaude Juncker sagte am Rande seines Besuchs in Prag: „Wir sind bereit.“Auch EU-Chefunterhändler Michel Barnier bekräftigte, der Zeitplan und die Positionen der EU seien klar. „Lassen Sie uns die Köpfe zusammenstecken und einen Kompromiss finden“, lautete seine Botschaft auf Twitter. EU-Ratspräsident Donald Tusk gratulierte May zur Regierungsbildung und mahnte zugleich, keinerlei Zeit zu verlieren bei den Brexit-Verhandlungen. Konkret sollten die EU-Kommission und London am Dienstag und Mittwoch über den Ablauf der Verhandlungen reden und diese am Montag darauf tatsächlich beginnen. „Den Briten läuft die Zeit davon“, sagte ein mit der Materie Vertrauter.
Laut EU-Vertrag müssen die Verhandlungen bis Ende März 2019 erledigt sein. Sonst würde Großbritannien ohne Vertrag oder Übergangsregelung ausschieden – mit schwer absehbaren Folgen. Die Frist könnte aber einstimmig von den 27 verbleibenden EU-Staaten verlängert werden. Spekulationen darüber werden in der EU weggewischt. „Bevor wir uns die Frage einer Verlängerung der Verhandlungen mit unseren britischen Freunden stellen, möchte ich sie erst einmal beginnen lassen“, sagte Juncker.
Deutschlands Außenminister Sigmar Gabriel wertete den Wahlausgang als Signal gegen eine harte Konfrontation mit der EU und rief May auf, ihre Position zu überdenken. Hoffnungen, dass die Scheidung doch friedlich ausfällt oder ganz ausbleibt, schöpften offenbar auch Anleger: Der Londoner Leitindex stieg, ebenso der Frankfurter.
Aus Sicht von Fabian Zuleeg vom European Policy Centre in Brüssel waren innenpolitische Gründe wahlentscheidend und nicht der nahende EU-Austritt. Allerdings hat May für ihre bisher harte Verhandlungslinie gegenüber der EU keine eigene Mehrheit mehr im Parlament. Sollte ihr die Regierungsbildung mit der nordirischen Partei Democratic Unionist Party (DUP) gelingen, werde dies die Brexit-Position prägen. „Der Ausgang der Wahl beeinflusst also durchaus, wie der Brexit ablaufen wird“, meint Zuleeg. Vor allem rücke mit der DUP die irische Frage in den Mittelpunkt.