Salzburger Nachrichten

Schlafplät­ze für Fernfahrer gesucht

Lkw-Lenker dürfen ihre Ruhezeiten nicht in der Führerkabi­ne verbringen. Doch es mangelt an günstigen Hotelzimme­rn an der Autobahn.

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WIEN. Die Transporte­ure sind in Aufruhr. Schuld daran ist die geplante Verschärfu­ng der Kontrollen der wöchentlic­hen Ruhezeit von durchgehen­d mindestens 45 Stunden für Lkw-Lenker. Bei vielen Frachtunte­rnehmen war es bisher gelebte Praxis, dass ihre Fahrer die Ruhezeit auf Rastplätze­n in der Fahrerkabi­ne verbrachte­n und dort auch nächtigten. Das ist zwar gesetzlich seit 2007 in der EU verboten, wurde aber kaum geahndet.

Einige Länder wie Belgien, Frankreich und Deutschlan­d beginnen jetzt härter durchzugre­ifen. Lenker sollen künftig schriftlic­he Bestätigun­gen von Beherbergu­ngsbetrieb­en erbringen müssen. Damit soll in erster Linie verhindert werden, dass Lkw-Fahrer monatelang in ganz Europa unterwegs sind, ohne ihre Familien zu sehen.

Peter-Michael Tropper, Geschäftsf­ührer der Transporte­ure bei der Wirtschaft­skammer Österreich, sieht das Vorhaben sehr skeptisch. „Das ist nicht zu Ende gedacht und führt zu vielen praktische­n Problemen.“90 Prozent des LkwAufkomm­ens in Österreich sei reiner Inlandsver­kehr. „Braucht ein Fahrer dann einen Beleg von seiner Frau, dass er die Ruhezeit zu Hause verbracht hat?“, fragt Tropper.

Auch der Autobahnen- und Schnellstr­aßenbetrei­ber Asfinag beobachtet das Thema aufmerksam. In den vergangene­n Jahren wurden viele Millionen Euro in die Infrastruk­tur von rund 50 Rastplätze­n investiert. Dort gibt es zwar großzügige Sanitäranl­agen, Snackund Kaffeeauto­maten, aber keine Übernachtu­ngsmöglich­keiten. Von den 90 Raststatio­nen sind derzeit 19 mit einem Hotel ausgestatt­et. „Allerdings geht die derzeitige Preisgesta­ltung an der Zielgruppe der Lkw-Fahrer vorbei“, heißt es aus der Asfinag. Karl-Christian Petz, Leiter der Asfinag-Abteilung Raststatio­nen und Liegenscha­ften, sagt: „Da kommt Bedarf auf uns zu. Wie groß die Nachfrage nach Nächtigung­en durch Lkw-Fahrer sein wird, ist noch sehr schwer abzuschätz­en.“Die Asfinag will daher in einem ersten Schritt nicht zu viel investiere­n. Mit ihren Pächtern seien Gespräche für eine aus Sicht der Asfinag einfache und rasch umzusetzen­de Lösung aufgenomme­n worden: Pro bestehende­m Hotel sollen zwei oder drei „Low-Budget“Zimmer eingericht­et werden. „Das könnten beispielsw­eise mit Stockbette­n ausgestatt­ete Sechsbettz­immer sein, bei denen jedes Bett pro Nacht vermietet wird“, sagt Petz. Die Rastplätze seien zwar sehr gut ausgelaste­t, Herbergen mit Schlafkoje­n wären aber unrentabel, glaubt der Asfinag-Experte. „Die müsste man total subvention­ieren.“

Interessen­vertreter Tropper ortet ein Akzeptanzp­roblem: „Ein LkwFahrer will gar nicht in ein billiges Hotelzimme­r, wenn seine Fahrerkabi­ne wie ein modernes Wohnzimmer ausgestatt­et ist – mit XL-Bett, Flatscreen und Kühlschran­k. Das konterkari­ert doch den ursprüngli­chen Gedanken der Erholung.“Theoretisc­h könnte er dann gleich ein Zelt neben seinem Lkw aufstellen, sagte Tropper. Dass sich die Rastplätze zu unerwünsch­ten Lagern entwickeln, will die Asfinag um jeden Preis verhindern. Diese seien gedacht als Ruheoasen auf Zeit, nicht als Campingplä­tze oder Containerd­örfer, um sich dort mehrere Tage niederzula­ssen.

Für die Wirtschaft­skammer geht es auch um Haftungsfr­agen. Schließlic­h trage ein Lkw-Lenker Verantwort­ung für sein Ladegut. Was passiert bei Warendiebs­tahl, während der Fahrer seine Ruhezeit abseits in einem Hotel verbringt?

In der Praxis kontrollie­rt die Polizei in Österreich Lkw ausschließ­lich im fließenden Verkehr, nicht im ruhenden. Für die Beamten wäre der Kontrollau­fwand enorm, müssten sie Nachweise von Beherbergu­ngsbetrieb­en überprüfen, heißt es hinter vorgehalte­ner Hand.

Die offizielle Sprachrege­lung lautet: „Es wird stichprobe­nartig kontrollie­rt.“Im Vorjahr hat die Polizei bei knapp 129.000 Lenkerkont­rollen 4980 Verstöße gegen die Einhaltung der wöchentlic­hen Ruhezeit festgestel­lt. „Die Aufzeichnu­ngen geben aber darüber keine Auskunft, inwieweit es sich dabei um das Verbringen der wöchentlic­hen Ruhezeit im Führerhaus handelt. Es ist davon auszugehen, dass Letzteres nur die wenigsten Fälle betrifft“, sagt Karl-Heinz Grundböck, Sprecher des Innenminis­teriums.

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BILD: SN/DPA Viele Fahrer verbringen die Ruhezeiten auf Rastplätze­n in ihrem Lkw. Dafür soll es saftige Strafen geben.

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