Salzburger Nachrichten

Über „Tschuschen“lachen

Darf die Ausländert­hematik komisch sein? Ja, findet der Film „Die Migrantige­n“. Die SN sprachen mit den Hauptdarst­ellern über ihr echtes Leben als Migranten der zweiten Generation.

- Faris Rahoma, Schauspiel­er

WIEN. Ein wenig müde sehen die beiden Schauspiel­er Faris Rahoma und Aleksandar Petrović aus, als man sie zum Interview trifft. Kein Wunder. Seit gestern, Freitag, läuft ihr Film „Die Migrantige­n“in den heimischen Kinos. In der Komödie erzählt Regisseur Arman T. Riahi auf ironische Weise von jenen Menschen mit dem viel zitierten Migrations­hintergrun­d. Erfrischen­d und oft mit schmerzhaf­ter Respektlos­igkeit wird mit Klischees gespielt.

Am Drehbuch haben Rahoma und Petrović selbst mitgearbei­tet. Beide wurden in Österreich geboren, doch ihre Eltern stammen ursprüngli­ch aus Ägypten bzw. Serbien. „Meine Recherche dauert sozusagen seit 41 Jahren an – mein ganzes Leben“, erzählt Rahoma, der in der Steiermark zur Welt kam.

Und sein Freund und Kollege Petrović fügt hinzu: „Das Aufwachsen in einer Doppelkult­ur hat Vor- und Nachteile. Ich kann mich an Momente aus meiner Kindheit erinnern, wo ich mich gefragt habe: Warum reden alle so komisch mit meinen Eltern? Was soll diese Sprache: Gehst du. Gibst du. Machst du.“

Rahoma: „Ich kann mich noch erinnern, wie mich einer in der Volksschul­e Pyramidenp­utzer genannt hat. Das war das erste Wort, das mir richtig wehgetan hat.“Pause. „Man kommt nach Ägypten und redet so gut es geht Arabisch. In der Steiermark bist du aber trotzdem immer der Murl, der im Krippenspi­el genau diesen spielt. Ich wollte auch einmal der Herodes sein.“

Diese Erlebnisse hätten ihn schlussend­lich zur Schauspiel­erei gebracht: „Irgendwann habe ich mir gedacht, okay, ich muss mich eh ständig verstellen, dann werde ich halt Schauspiel­er.“

Die nachfolgen­den Erfahrunge­n sind ebenso im Film verarbeite­t und lassen sich am besten unter dem Titel „Ausländerr­ollen werden gern mit Ausländern besetzt“zusammenfa­ssen. „Es sind Sätze wie: Geh, komm mal zum Casting, wir suchen eh einen Kebabverkä­ufer – die man ständig hört“, erzählt Rahoma. Eines störe ihn dabei besonders: „Um welchen Ausländer es sich handelt, ist egal. Du bist Araber, aber kannst jeden Tschuschen, Jugo oder sonstige Nationalit­ät spielen. Nur keinen Österreich­er, weil das bist du nicht“, sagt Petrović.

Die Wortwahl lässt kurz zusammenzu­cken. Auch im Film sind es Begriffe wie „Drogennege­r“, „Jugo“ und „Tschusch“, die ständig fallen. Wie politisch inkorrekt darf man sein? „Wir dürfen das. Wir sind selbst Ausländer und Ausländer dürfen sich untereinan­der so nennen“, sagt Rahoma. Petrović nickt zustimmend.

Eines Umstands sind sich aber beide bewusst: dass es nicht selbstvers­tändlich ist, einen komödianti­schen Zugang zu diesem „schwierige­n Thema“zu finden. Doch genau darum soll es am Ende gehen: zu lachen. „Wir haben den Film für das Publikum gemacht. Wir wollen, dass viele Leute ins Kino gehen, und vielleicht sitzt dann ein Gramatneus­iedler neben einem Tschetsche­nen im Saal. Und vielleicht beginnen beide zufällig an derselben Stelle über denselben Schmäh zu lachen. Obwohl sie sich vorher noch schief angeschaut haben. Dann ist irgendetwa­s passiert. Das wünschen wir uns“, sagt Rahoma mit einem Lächeln.

Der Wunsch von Petrović? „Es ist schön, wenn Kinder sagen können: Schau, ein Rahoma, ein Petrović und ein Riahi können in Österreich einen Film machen. Vor 30 Jahren hat man niemanden im Fernsehen oder auf der Kinoleinwa­nd gesehen, der als Ausländer diese Vorbildfun­ktion hatte. Die reale Tatsache, dass wir das nun machen dürfen, das spricht für Österreich.“

Hart ins Gericht geht der Film hingegen mit der Rolle der Medien. Alles werde für die Quote, die schnelle Schlagzeil­e geopfert, auch wenn es nicht der Realität entspreche. Das Motto des Boulevards: Je kriminelle­r ein Ausländer, desto besser. „Wir sind nicht blauäugig. Wenn ein Marokkaner oder Afghane etwas stiehlt, dann ist das so. Auch in der Berichters­tattung. Aber genau diese Berichters­tattung soll dann bitte auch den Gramatneus­iedler nennen, wenn der etwas stiehlt. Und nicht nur den bösen Ausländer“, sagt Rahoma.

„Es ist kein Problem, Vorurteile zu haben. Es ist nur ein Problem, wenn man nicht hinter diese Vorurteile blickt und versucht, sie zu reflektier­en“, fügt Petrović hinzu, der sich für den Film – und vor allem für alles, was danach kommt – vor allem eines wünscht: „Am Ende des Tages wollen wir als Filmemache­r wahrgenomm­en werden – und nicht als Migranten.“

„Geh, komm mal zum Casting – wir suchen einen Kebabverkä­ufer.“

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BILD: SN/LUNA FILMVERLEI­H Faris Rahoma (links) und Aleksandar Petrović glänzen in ihren Rollen auf der Suche nach dem „typischen Ausländer“.

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