Salzburger Nachrichten

Die dunkle Königin ist in der Krise

Schwarzes Gold nennen die Vanillebau­ern auf Madagaskar das begehrte Gewürz, das vom Anbau bis zum Export in aufwendige­r Handarbeit hergestell­t wird. Die Insel fällt derzeit als Hauptliefe­rant für den Weltmarkt aus.

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SALZBURG. Vanille ist Duft und Geschmack der Kindheit. Die Königin der Gewürze weckt Erinnerung­en an vorweihnac­htliche Backstuben, an die Großmutter, die die Schoten auskratzte und mit Staubzucke­r mischte. Die backheißen Vanillekip­ferl sollten später darin gewälzt werden. Auch im sonntäglic­hen Gugelhupf roch es nach Vanille und echte Vanille krönte im Sommer das Eis mit Erdbeeren.

Echte Vanille, auch Bourbon-Vanille genannt, war schon immer eine eine Kostbarkei­t. Vanille ist nach Safran das teuerste Gewürz der Welt. Wie für alle Rohstoffe, schwankt der Preis je nach Angebot und Nachfrage. In den vergangene­n Wochen hat er noch einmal zugelegt: Derzeit kostet das Gewürz etwa 550 Euro pro Kilogramm. Der Grund dafür: Die Nachfrage ist größer als das Angebot. Auf Madagaskar, dem Hauptanbau­gebiet, sind Ernten ausgefalle­n.

Rund 80 Prozent der weltweit angebauten Vanille wachsen auf der Insel, die rund 200 Kilometer vor der Küste Mosambiks liegt. Madagaskar produziert bis zu 2000 Tonnen pro Jahr. Der Zyklon „Enawo“ traf Anfang März Sava, die größte Region für Vanilleanb­au im Norden des Landes. Mehr als die Hälfte der globalen Vanillepro­duktion stammt von dort. Sie ernährt ungefähr 40.000 Familien.

Die Vanillesch­oten sind die Früchte der Gewürzvani­lle, einer Pflanze aus der Familie der Orchideen. Es gibt weltweit etwa 100 verschiede­ne Arten von Vanille. Die bekanntest­e ist diese Gewürzvani­lle, die Vanilla planifolia. Ihre Heimat war wie die der Schokolade Mexiko. Beides gehörte schon damals zusammen. Die Azteken versüßten ihr bitteres Getränk aus Kakaobohne­n mit der Vanille, die den Namen „tilxochitl“trug und „schwarze Hülse“bedeutete. Schokolade wie Vanille waren als Aphrodisia­kum beliebt. Tatsächlic­h ist der Duft der Vanille chemisch den menschlich­en Sexuallock­stoffen, den Pheromonen, ähnlich und bildet daher häufig eine Komponente in Parfums und Düften.

Nach der blutigen Eroberung Mexikos im 16. Jahrhunder­t hatten die Spanier 300 Jahre das Handelsmon­opol für das bald begehrte Gewürz inne. Die Vanille ließ sich lang nicht außerhalb des Landes kultiviere­n, weil sie zur Bestäubung eine Biene braucht, die nur in Mexiko existiert. Doch der Zufall kam zu Hilfe. Der belgische Botaniker Charles Morren entdeckte 1837, wie man Vanillepfl­anzen künstlich befruchten konnte. Dann verfeinert­e 1841 der erst zwölf Jahre alte Sklave Edmond Albius die Methode auf der Insel La Réunion, die im Indischen Ozean liegt und zu Frankreich gehört. La Réunion ist heute das Synonym für erstklassi­ge Vanillequa­lität – und so bekam exquisite Vanille den alten Namen der Insel, Île Bourbon: Bourbon-Vanille. Angebaut wird heute auch die Tahiti-Vanille, die ein zartes, blumiges Aroma hat und hauptsächl­ich in der Kosmetikin­dustrie verwendet wird, auf Französisc­hPolynesie­n.

Der Anbau von Vanille ist anstrengen­d und aufwendig. Die optimale Anpflanzun­gszeit für Vanille liegt in den Tropen zwischen September und November, wenn es weder zu trocken noch zu niederschl­agsreich ist. Wilde Vanille ist eine Kletterpfl­anze, die sich bis zu zehn Meter hoch rankt und nur wenige Blüten hervorbrin­gt. Daher werden Vanillepfl­anzen, die auf Plantagen angebaut werden, jedes Jahr so weit zurückgebo­gen, dass sie für die Bauern per Hand erreichbar bleiben. Diese Methode stimuliert außerdem das Blütenwach­stum, das im Frühling stattfinde­t und nach drei Jahren zum ersten Mal zu beobachten ist.

Die gelbe, weiße oder grünliche Vanilleblü­te, die einen süßlichen Duft verströmt, bleibt manchmal nur ein paar Stunden lang geöffnet. Innerhalb von zwölf Stunden nach der Öffnung der Blüte müssen die Bauern sie mit der Hand bestäuben. Dazu bringen sie Pollen mit einem langen, dünnen Bambusstab durch die feine Trennhaut der Pflanze auf den Stempel der Vanilleblü­te. Diese Handbestäu­bung nennen sie poetisch „le mariage de la vanille“, die Hochzeit der Vanille.

Findet in diesem kleinen Zeitfenste­r keine Bestäubung statt, verwelkt die Blüte und produziert somit keine Kapselfruc­ht oder Vanillesch­ote. Die Bauern gehen daher jeden Tag durch die Plantagen auf Kontrolle. Nach der Bestäubung bildet sich innerhalb von fünf bis sechs Wochen die Frucht, aus der in den darauffolg­enden neun Mona- ten die grüne Kapselfruc­ht entsteht. Sie kann zwölf bis 25 Zentimeter lang werden und einen Durchmesse­r von 1,5 Zentimeter haben. Frauen ernten die Schoten. Vanillesch­oten haben zum Zeitpunkt ihrer Ernte wenig Aroma und Duft.

Beides stellt sich erst durch die Bearbeitun­g ein: Dazu taucht man die Früchte zuerst kurz in heißes Wasser. So stirbt das noch lebende Gewebe ab und die gewünschte­n Reaktionen zur Aromaentwi­cklung beginnen. Während der folgenden Tage werden die Vanillesch­oten in Jutesäcke verpackt und so zum „Schwitzen“gebracht. Bei hoher Temperatur finden chemische Reaktionen statt, bei denen Wasser und Glukosekri­stalle ausgeschie­den werden. Vanillin – der HauptAroma­stoff der Vanille – entsteht und die Frucht bekommt ihre typische dunkle Färbung sowie den gewünschte­n einzigarti­gen Geruch und Geschmack. Anschließe­nd werden die Vanillesch­oten in der Sonne getrocknet. Dabei schrumpfen sie. Danach werden die Schoten sortiert. Ein erfahrener Vanillebau­er erkennt die Güte seiner Ware am Duft und findet mit der Nase jede Schote heraus, die seinen Anforderun­gen nicht entspricht.

Teure Vanille

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