Schwul sein
in Österreich – und anderswo. Wir leben in einer offenen Gesellschaft, sagen wir über uns. Da ist Homosexualität doch längst kein Thema mehr. Die Realität aber sieht anders aus: Schwule haben kaum Chancen auf einen Spitzenjob. Sie werden immer öfter Opfer
Es war ein Satz für die Geschichtsbücher. Und, wie er selbst sagte, der wichtigste in seinem Leben. „Ich bin schwul – und das ist auch gut so“, bekannte Klaus Wowereit, damals Berlins Regierender Bürgermeister, auf einem Parteitag. Wohl, um möglichen Anschüttungen zuvorzukommen. Das war 2001. Und eine Sensation.
Die Ikone der Schwulenbewegung wäre aber fast ins Straucheln geraten. Nicht ernsthaft, aber: Wir begeben uns jetzt auf das glitschig-glatte Parkett deutschen Boulevard-Journalismus, wie ihn die „Bild“-Zeitung so virtuos zu spielen vermag. Drei Jahre nach seinem Outing hatte Wowereit – übrigens zusammen mit seinem langjährigen Lebensgefährten – eine Benefizveranstaltung besucht. Und war dabei, die Bilder zeigen ihn schon etwas verschwommen, einer Blondine um den Hals gefallen. Die Frau muss man nicht kennen, kann man aber. Sie heißt Désirée Nick, war seltsames Getier verschlingende Dschungelkönigin und ist gefürchtet für ihre Berliner Schnauze, die sie mit einem leichten S-Fehler führt. An ebendiese dockte der Bürgermeister an. Manche wollten sogar gesehen haben, dass Zunge im Spiel war. Und „Bild“titelte, Achtung, festhalten: „Nach Knutscherei mit Dschungel-Nick rätselt Deutschland . . . Wowereit nicht mehr schwul?“
Der smarte Mann war der erste, aber nicht der letzte deutsche Spitzenpolitiker, der sich zu seiner Homosexualität bekannte. Bei uns ist die aber noch ein absolutes Tabuthema, wie auch die Recherchen von Thomas Hödlmoser und Christian Resch zu unserem heutigen Themenschwerpunkt ergaben.
Schönes Wochenende!