Salzburger Nachrichten

Schwul sein

in Österreich – und anderswo. Wir leben in einer offenen Gesellscha­ft, sagen wir über uns. Da ist Homosexual­ität doch längst kein Thema mehr. Die Realität aber sieht anders aus: Schwule haben kaum Chancen auf einen Spitzenjob. Sie werden immer öfter Opfer

- Norbert Lublasser

Es war ein Satz für die Geschichts­bücher. Und, wie er selbst sagte, der wichtigste in seinem Leben. „Ich bin schwul – und das ist auch gut so“, bekannte Klaus Wowereit, damals Berlins Regierende­r Bürgermeis­ter, auf einem Parteitag. Wohl, um möglichen Anschüttun­gen zuvorzukom­men. Das war 2001. Und eine Sensation.

Die Ikone der Schwulenbe­wegung wäre aber fast ins Straucheln geraten. Nicht ernsthaft, aber: Wir begeben uns jetzt auf das glitschig-glatte Parkett deutschen Boulevard-Journalism­us, wie ihn die „Bild“-Zeitung so virtuos zu spielen vermag. Drei Jahre nach seinem Outing hatte Wowereit – übrigens zusammen mit seinem langjährig­en Lebensgefä­hrten – eine Benefizver­anstaltung besucht. Und war dabei, die Bilder zeigen ihn schon etwas verschwomm­en, einer Blondine um den Hals gefallen. Die Frau muss man nicht kennen, kann man aber. Sie heißt Désirée Nick, war seltsames Getier verschling­ende Dschungelk­önigin und ist gefürchtet für ihre Berliner Schnauze, die sie mit einem leichten S-Fehler führt. An ebendiese dockte der Bürgermeis­ter an. Manche wollten sogar gesehen haben, dass Zunge im Spiel war. Und „Bild“titelte, Achtung, festhalten: „Nach Knutschere­i mit Dschungel-Nick rätselt Deutschlan­d . . . Wowereit nicht mehr schwul?“

Der smarte Mann war der erste, aber nicht der letzte deutsche Spitzenpol­itiker, der sich zu seiner Homosexual­ität bekannte. Bei uns ist die aber noch ein absolutes Tabuthema, wie auch die Recherchen von Thomas Hödlmoser und Christian Resch zu unserem heutigen Themenschw­erpunkt ergaben.

Schönes Wochenende!

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