Salzburger Nachrichten

Die Politik beschäftig­t die Gerichte

Immer öfter wird Politik „gerichtsan­hängig“. Im Bundesland häufen sich die Fälle. Das hat nichts mit dem laufenden Prozess gegen Heinz Schaden & Co. zu tun.

- Sylvia Wörgetter SYLVIA.WOERGETTER@SALZBURG.COM

Dieser Tage geht der Strafproze­ss gegen Bürgermeis­ter Heinz Schaden und Ex-Landesfina­nzreferent Othmar Raus (beide SPÖ) sowie fünf Mitangekla­gte über die Bühne. Er ist Teil der Aufarbeitu­ng des Finanzskan­dals. Solange er läuft, wird er an dieser Stelle nicht kommentier­t. Vom Ausgang dieses Prozesses wird abhängen, wie die politische Zukunft der Landeshaup­tstadt aussieht. Er ist ein Strafproze­ss und somit mit den unten geschilder­ten Verfahren nicht vergleichb­ar.

Doch er ruft ins Bewusstsei­n, dass die Justiz in Salzburgs Politik generell eine zentrale Rolle übernommen hat. Immer öfter entscheide­n Gerichte Fragen, zu deren Lösung früher Politiker ausreichte­n. * Vor dem Bundesverw­altungsger­icht liegt derzeit die 380-kVLeitung. * Das in der Landeshaup­tstadt geltende sektorale Bettelverb­ot harrt beim Verfassung­sgerichtsh­of der Entscheidu­ng. * Die Verfassung­srichter müssen auch darüber urteilen, ob es rechtens war, den Freiheitli­chen die Parteienfö­rderung zu kürzen, nachdem ihr Landtagskl­ub auf eine Abgeordnet­e geschrumpf­t ist. * In der Juni-Session des VfGH dürfte das umstritten­e Bauvorhabe­n auf dem Rehrl-Platz Thema sein. * Bald wird die Causa Mönchsberg­garage vor den Verwaltung­sgerichtsh­of kommen. LHStv. Astrid Rössler (Grüne) wird wohl Revision einlegen, nachdem sie beim Landesverw­altungsger­icht abgeblitzt ist. * Wegen der Vordienstz­eiten im Salzburger Landesdien­st war sogar der Europäisch­e Gerichtsho­f tätig. Was zu millionens­chweren Rückzahlun­gen durch das Land führte.

Das ist eine ziemliche Häufung von – salopp ausgedrück­t – „gerichtsan­hängiger Politik“.

Traut sich die Politik nicht mehr zu entscheide­n? Oder trauen die Bürger den Entscheidu­ngen der Politik nicht mehr?

Die zweite Frage ist eindeutig mit Ja zu beantworte­n: Die Bürger sind über die Jahrzehnte mündiger und aufmüpfige­r geworden. Sie nehmen Entscheidu­ngen von „oben“nicht ergeben hin, sondern fechten sie immer öfter an – mit der Bereitscha­ft, bis in die letzte Instanz zu gehen und viel privates Geld und Engagement einzusetze­n.

Mitunter reicht der Politik bereits die Aussicht auf ein jahrelange­s Verfahren, um Projekte wieder abzublasen: so geschehen im Fall des geplanten Mur- kraftwerks in Ramingstei­n.

Ein anderer Grund, warum immer mehr politische Streitfäll­e vor Gerichten ausgetrage­n werden, liegt am veränderte­n ten politische­n Klima. Aus der Konsensdem­okratie ist eine Konfliktde­mokratie geworden.

In Zeiten stabiler Mehrheiten für SPÖ und ÖVP galt der Grundsatz: „Wir werden keinen Richter brauchen.“Man machte sich die Dinge aus, gern auch per Handschlag. Der war Kennzeiche­n des „Salzburger Klimas“in den 1980er-Jahren. Eines Klimas, das die an der Macht Beteiligte­n als lösungsori­entiert lobten. Die von der Macht Ausgeschlo­ssenen kritisiert­en die „Verhaberun­g“.

Seit dem Einzug der Grünen

in die Parlamente, dem Erstarken der FPÖ sowie dem Auftauchen neuer Parteien (Neos) und unabhängig­er Kandidaten (Griss) ist Schluss mit Kuscheln. Die Konkurrenz ist groß, der Wettbewerb rau. Die Neuen kümmern sich nicht um alte Gepflogenh­eiten und Rücksichtn­ahmen – und tragen Konflikte auch vor Gericht aus, wenn ihnen das zielführen­d erscheint.

Bestes Beispiel dafür war die Anfechtung des ersten Ergebnisse­s der Bundespräs­identenSti­chwahl durch die Freiheitli­chen. Aber auch Rösslers Streit mit der Stadt um den Garagenaus­bau fällt in diese Kategorie.

Das macht die Entscheidu­ngsfindung oftmals langwierig­er. Aber auch transparen­ter, weil vor Gericht alle Für und Wider auf den Tisch kommen.

Das ist ein guter Grund, um fallweise zu sagen: „Wir werden einen Richter brauchen.“

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Mädchen für alles . . .
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WWW.SALZBURG.COM/WIZANY

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