Die Politik beschäftigt die Gerichte
Immer öfter wird Politik „gerichtsanhängig“. Im Bundesland häufen sich die Fälle. Das hat nichts mit dem laufenden Prozess gegen Heinz Schaden & Co. zu tun.
Dieser Tage geht der Strafprozess gegen Bürgermeister Heinz Schaden und Ex-Landesfinanzreferent Othmar Raus (beide SPÖ) sowie fünf Mitangeklagte über die Bühne. Er ist Teil der Aufarbeitung des Finanzskandals. Solange er läuft, wird er an dieser Stelle nicht kommentiert. Vom Ausgang dieses Prozesses wird abhängen, wie die politische Zukunft der Landeshauptstadt aussieht. Er ist ein Strafprozess und somit mit den unten geschilderten Verfahren nicht vergleichbar.
Doch er ruft ins Bewusstsein, dass die Justiz in Salzburgs Politik generell eine zentrale Rolle übernommen hat. Immer öfter entscheiden Gerichte Fragen, zu deren Lösung früher Politiker ausreichten. * Vor dem Bundesverwaltungsgericht liegt derzeit die 380-kVLeitung. * Das in der Landeshauptstadt geltende sektorale Bettelverbot harrt beim Verfassungsgerichtshof der Entscheidung. * Die Verfassungsrichter müssen auch darüber urteilen, ob es rechtens war, den Freiheitlichen die Parteienförderung zu kürzen, nachdem ihr Landtagsklub auf eine Abgeordnete geschrumpft ist. * In der Juni-Session des VfGH dürfte das umstrittene Bauvorhaben auf dem Rehrl-Platz Thema sein. * Bald wird die Causa Mönchsberggarage vor den Verwaltungsgerichtshof kommen. LHStv. Astrid Rössler (Grüne) wird wohl Revision einlegen, nachdem sie beim Landesverwaltungsgericht abgeblitzt ist. * Wegen der Vordienstzeiten im Salzburger Landesdienst war sogar der Europäische Gerichtshof tätig. Was zu millionenschweren Rückzahlungen durch das Land führte.
Das ist eine ziemliche Häufung von – salopp ausgedrückt – „gerichtsanhängiger Politik“.
Traut sich die Politik nicht mehr zu entscheiden? Oder trauen die Bürger den Entscheidungen der Politik nicht mehr?
Die zweite Frage ist eindeutig mit Ja zu beantworten: Die Bürger sind über die Jahrzehnte mündiger und aufmüpfiger geworden. Sie nehmen Entscheidungen von „oben“nicht ergeben hin, sondern fechten sie immer öfter an – mit der Bereitschaft, bis in die letzte Instanz zu gehen und viel privates Geld und Engagement einzusetzen.
Mitunter reicht der Politik bereits die Aussicht auf ein jahrelanges Verfahren, um Projekte wieder abzublasen: so geschehen im Fall des geplanten Mur- kraftwerks in Ramingstein.
Ein anderer Grund, warum immer mehr politische Streitfälle vor Gerichten ausgetragen werden, liegt am veränderten ten politischen Klima. Aus der Konsensdemokratie ist eine Konfliktdemokratie geworden.
In Zeiten stabiler Mehrheiten für SPÖ und ÖVP galt der Grundsatz: „Wir werden keinen Richter brauchen.“Man machte sich die Dinge aus, gern auch per Handschlag. Der war Kennzeichen des „Salzburger Klimas“in den 1980er-Jahren. Eines Klimas, das die an der Macht Beteiligten als lösungsorientiert lobten. Die von der Macht Ausgeschlossenen kritisierten die „Verhaberung“.
Seit dem Einzug der Grünen
in die Parlamente, dem Erstarken der FPÖ sowie dem Auftauchen neuer Parteien (Neos) und unabhängiger Kandidaten (Griss) ist Schluss mit Kuscheln. Die Konkurrenz ist groß, der Wettbewerb rau. Die Neuen kümmern sich nicht um alte Gepflogenheiten und Rücksichtnahmen – und tragen Konflikte auch vor Gericht aus, wenn ihnen das zielführend erscheint.
Bestes Beispiel dafür war die Anfechtung des ersten Ergebnisses der BundespräsidentenStichwahl durch die Freiheitlichen. Aber auch Rösslers Streit mit der Stadt um den Garagenausbau fällt in diese Kategorie.
Das macht die Entscheidungsfindung oftmals langwieriger. Aber auch transparenter, weil vor Gericht alle Für und Wider auf den Tisch kommen.
Das ist ein guter Grund, um fallweise zu sagen: „Wir werden einen Richter brauchen.“