Diese Schulreform ist nur ein Luftschloss
SPÖ und ÖVP liefern sich ein Geplänkel um Schulcluster und Synergien. Schüler, Eltern und Lehrer haben ganz andere Sorgen.
Reformen waren stets nur Reförmchen
Es ist unübersehbar, wie weit sich die Schulpolitiker der Regierung von der Lebensrealität der Schüler und Eltern entfernt haben. SPÖ und ÖVP tun tatsächlich so, als hänge die Zukunft der Bildung von abstrakten Gebilden namens Schulcluster ab und von möglichen Synergien, die das Schulautonomiepaket bringen soll.
Während die Regierung solcherart vor sich hin streitet und einen Vorgeschmack auf den Wahlkampf liefert, mühen sich Abertausend Mädchen, Burschen, Väter und Mütter mit englischen Adverbien und französischen Präpositionen ab. Die letzten Prüfungen stehen an – und alle wollen mit positiven Noten in die Sommerferien gehen. Zwei Drittel der Schulkinder, so wird geschätzt, brauchen hierzulande Hilfe beim Lernen.
Viele Eltern stoßen freilich irgendwann an ihre Grenzen, spätestens wenn sie die trigonometrische Flächenformel erklären sollen. Was tun? Man bezahlt Nachhilfelehrer, um dem Sohn und der Tochter zu einer positiven Note zu verhelfen. Laut Arbeiterkammer geben die Österreicher dafür mehr als 100 Millionen Euro im Jahr aus. Längst hat sich neben dem vom Steuerzahler finanzierten Regelschulwesen ein elternfinanziertes Schattenschulwesen etabliert. Ein Aufschrei müsste die Folge sein, könnte man meinen. Doch von politischer Seite hört man dazu keinen Kommentar.
Würden sich die Verhandler rund um Bildungsministerin Sonja Hammerschmid und Wissenschaftsminister Harald Mahrer die Mühe machen, mit den Betroffenen – den Schülern – zu reden, wären sie gewiss mit vielen Wünschen konfrontiert: verpflichtendes Feedback von Schülern an die Lehrer, mehr individuelle Förderung, mehr Geld für Freigegenstände. Doch die Regierung widmet sich lieber dem Nebenschauplatz Schulautonomie.
Theoretisch könnte diese ja Vorteile bringen: Schulcluster aus mehreren Schulen könnten beispielsweise zusätzliche Förderlehrer einsetzen. Jedoch ergibt das nur Sinn, wenn mehr Geld in die Cluster fließt. Ansonsten wird es nur ein Umverteilen. Eltern- und Lehrervertreter warnen zu Recht vor einem Anstieg der Klassenschülerzahlen, wenn Ressourcen nur umgeschichtet werden.
Skepsis ist schon deshalb angebracht, weil die groß angekündigten Reformen der vergangenen Jahre allesamt zu mäßig erfolgreichen Reförmchen mutierten. Die Neue Mittelschule (NMS) kostet zwar viel Geld, brachte aber nicht die erhofften Verbesserungen bei den Schülerleistungen. Das Teamteaching beispielsweise, ein Kernpunkt der NMS-Reform, funktioniert mehr schlecht als recht, wenn zwei Lehrer im Team nicht miteinander können. Die holprig eingeführte Zentralmatura wiederum hat zwar zu besser vergleichbaren Leistungen geführt. Allerdings sei auch das Prüfungsniveau gesunken, sagen Lehrer. Die Ganztagsschule bringt zwar Verbesserungen. Der Ausbau geht aber nur schleppend voran.
Trotz des ewigen Herumdokterns am Patienten Schule hat Österreich bei der jüngsten PISA-Studie 2015 schlechter abgeschnitten als drei Jahre davor. Fast jeder vierte Jugendliche ist, was die Lesekompetenzen betrifft, ein Risikoschüler, in Mathematik ist es ähnlich. Zugleich werden die Probleme mehr statt weniger. Unzählige Kinder und Jugendliche, vor allem jene mit Migrationshintergrund, beginnen die Schullaufbahn mit massiven sprachlichen Defiziten. Verhaltensauffälligkeiten und Konzentrationsschwierigkeiten nehmen zu.
Wenn die Schule all das ausgleichen soll, braucht sie mehr Geld, mehr Lehrerstunden – und einen qualitätsvollen Unterricht. Der steht und fällt mit dem guten Lehrer, der guten Lehrerin. Bis die neue Lehrerausbildung greift, werden aber Jahrzehnte vergehen. Es ist auch nicht so wie in Finnland, dass die Besten eines Jahrgangs allesamt Lehrer werden wollen – was vor allem am schlechten Image des Berufs in Österreich liegt.
Daran etwas zu ändern ist mühsam. Erfolge lassen sich nur langfristig erzielen. Die Politik aber liebt die schnelle Ankündigung, die rasche Jubelmeldung. Deshalb zaubert man immer neue, kleine Reförmchen aus dem Hut – wie das Schulautonomiepaket. Großartige Verbesserungen dürfen sich Schüler und Eltern davon nicht erwarten. Die haben aber ohnehin andere Sorgen. Sie müssen sich in diesen Tagen noch einmal mit Schlussrechnungen und Dreiecksformeln herumschlagen.