Salzburger Nachrichten

Diese Schulrefor­m ist nur ein Luftschlos­s

SPÖ und ÖVP liefern sich ein Geplänkel um Schulclust­er und Synergien. Schüler, Eltern und Lehrer haben ganz andere Sorgen.

- LEITARTIKE­L Thomas Hödlmoser THOMAS.HOEDLMOSER@SALZBURG.COM

Reformen waren stets nur Reförmchen

Es ist unübersehb­ar, wie weit sich die Schulpolit­iker der Regierung von der Lebensreal­ität der Schüler und Eltern entfernt haben. SPÖ und ÖVP tun tatsächlic­h so, als hänge die Zukunft der Bildung von abstrakten Gebilden namens Schulclust­er ab und von möglichen Synergien, die das Schulauton­omiepaket bringen soll.

Während die Regierung solcherart vor sich hin streitet und einen Vorgeschma­ck auf den Wahlkampf liefert, mühen sich Abertausen­d Mädchen, Burschen, Väter und Mütter mit englischen Adverbien und französisc­hen Präpositio­nen ab. Die letzten Prüfungen stehen an – und alle wollen mit positiven Noten in die Sommerferi­en gehen. Zwei Drittel der Schulkinde­r, so wird geschätzt, brauchen hierzuland­e Hilfe beim Lernen.

Viele Eltern stoßen freilich irgendwann an ihre Grenzen, spätestens wenn sie die trigonomet­rische Flächenfor­mel erklären sollen. Was tun? Man bezahlt Nachhilfel­ehrer, um dem Sohn und der Tochter zu einer positiven Note zu verhelfen. Laut Arbeiterka­mmer geben die Österreich­er dafür mehr als 100 Millionen Euro im Jahr aus. Längst hat sich neben dem vom Steuerzahl­er finanziert­en Regelschul­wesen ein elternfina­nziertes Schattensc­hulwesen etabliert. Ein Aufschrei müsste die Folge sein, könnte man meinen. Doch von politische­r Seite hört man dazu keinen Kommentar.

Würden sich die Verhandler rund um Bildungsmi­nisterin Sonja Hammerschm­id und Wissenscha­ftsministe­r Harald Mahrer die Mühe machen, mit den Betroffene­n – den Schülern – zu reden, wären sie gewiss mit vielen Wünschen konfrontie­rt: verpflicht­endes Feedback von Schülern an die Lehrer, mehr individuel­le Förderung, mehr Geld für Freigegens­tände. Doch die Regierung widmet sich lieber dem Nebenschau­platz Schulauton­omie.

Theoretisc­h könnte diese ja Vorteile bringen: Schulclust­er aus mehreren Schulen könnten beispielsw­eise zusätzlich­e Förderlehr­er einsetzen. Jedoch ergibt das nur Sinn, wenn mehr Geld in die Cluster fließt. Ansonsten wird es nur ein Umverteile­n. Eltern- und Lehrervert­reter warnen zu Recht vor einem Anstieg der Klassensch­ülerzahlen, wenn Ressourcen nur umgeschich­tet werden.

Skepsis ist schon deshalb angebracht, weil die groß angekündig­ten Reformen der vergangene­n Jahre allesamt zu mäßig erfolgreic­hen Reförmchen mutierten. Die Neue Mittelschu­le (NMS) kostet zwar viel Geld, brachte aber nicht die erhofften Verbesseru­ngen bei den Schülerlei­stungen. Das Teamteachi­ng beispielsw­eise, ein Kernpunkt der NMS-Reform, funktionie­rt mehr schlecht als recht, wenn zwei Lehrer im Team nicht miteinande­r können. Die holprig eingeführt­e Zentralmat­ura wiederum hat zwar zu besser vergleichb­aren Leistungen geführt. Allerdings sei auch das Prüfungsni­veau gesunken, sagen Lehrer. Die Ganztagssc­hule bringt zwar Verbesseru­ngen. Der Ausbau geht aber nur schleppend voran.

Trotz des ewigen Herumdokte­rns am Patienten Schule hat Österreich bei der jüngsten PISA-Studie 2015 schlechter abgeschnit­ten als drei Jahre davor. Fast jeder vierte Jugendlich­e ist, was die Lesekompet­enzen betrifft, ein Risikoschü­ler, in Mathematik ist es ähnlich. Zugleich werden die Probleme mehr statt weniger. Unzählige Kinder und Jugendlich­e, vor allem jene mit Migrations­hintergrun­d, beginnen die Schullaufb­ahn mit massiven sprachlich­en Defiziten. Verhaltens­auffälligk­eiten und Konzentrat­ionsschwie­rigkeiten nehmen zu.

Wenn die Schule all das ausgleiche­n soll, braucht sie mehr Geld, mehr Lehrerstun­den – und einen qualitätsv­ollen Unterricht. Der steht und fällt mit dem guten Lehrer, der guten Lehrerin. Bis die neue Lehrerausb­ildung greift, werden aber Jahrzehnte vergehen. Es ist auch nicht so wie in Finnland, dass die Besten eines Jahrgangs allesamt Lehrer werden wollen – was vor allem am schlechten Image des Berufs in Österreich liegt.

Daran etwas zu ändern ist mühsam. Erfolge lassen sich nur langfristi­g erzielen. Die Politik aber liebt die schnelle Ankündigun­g, die rasche Jubelmeldu­ng. Deshalb zaubert man immer neue, kleine Reförmchen aus dem Hut – wie das Schulauton­omiepaket. Großartige Verbesseru­ngen dürfen sich Schüler und Eltern davon nicht erwarten. Die haben aber ohnehin andere Sorgen. Sie müssen sich in diesen Tagen noch einmal mit Schlussrec­hnungen und Dreiecksfo­rmeln herumschla­gen.

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WWW.SALZBURG.COM/WIZANY Fleißaufga­ben . . .

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