Salzburger Nachrichten

„Mit der Zukunft der Jugend spielt man nicht“

Der Bundespräs­ident ruft die Regierung zur Ordnung: Bei allem, was die Bildung betreffe, gehörten noch im Juni Nägel mit Köpfen gemacht.

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Was Alexander Van der Bellen ungeduldig macht. Was er zu Sebastian Kurz und Christian Kern sagt. Und wie sich sein Leben als Bundespräs­ident verändert hat.

SN: Herr Bundespräs­ident, was bewegt Sie angesichts der politische­n Situation besonders?

Alexander Van der Bellen: Ich weiß, dass sich vier Monate vor der Wahl jeder zu positionie­ren versucht, dass die Kompromiss­bereitscha­ft eher zurückgeht. Dafür habe ich ja Verständni­s. Aber es gibt einige Themen, die vielen unter den Nägeln brennen, dazu gehört alles, was mit Bildung und Ausbildung, vom Kindergart­en über die Schulen bis zu den Universitä­ten, zu tun hat. Da muss ich sagen: Setzt euch wieder an den Tisch. Mit der Zukunft unserer Kinder und Jugendlich­en spielt man nicht.

Über das Schulpaket wird seit Jahren verhandelt. Die Mehrheit sagt, dass es Schritte zum Besseren sind. Wenn es nicht perfekt ist, ist es halt nicht perfekt, aber dann macht man einmal diese Schritte. Bei den Universitä­ten gibt es zwei Zusagen: die Forschungs­milliarde und die Studienpla­tzfinanzie­rung. Auch darüber wird seit Jahren verhandelt. Die Universitä­ten sind alarmiert. Wenn beides nicht kommt, ist aufgrund der Fristen für die Budgetverh­andlungen womöglich der Ofen bis 2022 aus. So geht das nicht. In allen drei Fällen, Schulpaket, Forschungs­milliarde, Studienpla­tzfinanzie­rung, gehören noch im Juni Nägel mit Köpfen gemacht. Gleichzeit­ig dürfen die Lehrlinge nach der Pflichtsch­ule nicht vergessen werden. Ich höre immer wieder aus Wirtschaft und öffentlich­em Dienst, dass viele der 15- bis 25-Jährigen Probleme mit dem Lesen und Schreiben oder dem Sich-ausdrücken-Können haben. Ich werde langsam sehr, sehr ungeduldig.

SN: Das ist ein Ordnungsru­f an die Regierungs­parteien?

Wenn Sie so wollen, ja.

SN: Oder an vier Parteien, da die Koalition beim Schulpaket die Stimmen von FPÖ oder Grünen benötigt?

Der Ball liegt bei der Regierung, gefordert sind alle.

SN: Manche sprechen von einer Art Staatskris­e, weil eine Partei eine Wahl vom Zaun gebrochen hat.

Eine Staatskris­e ist schon etwas anderes. Man sollte das mit ein bisschen mehr Gelassenhe­it sehen. Es ist nicht der erste Wahlkampf, der vorzeitig ausbricht. Aber ja, auch ich habe nicht erwartet, dass vom ersten Tag nach meinem Amtsantrit­t an eine Turbulenz in der Regierung die nächste jagt.

SN: Sehen Sie das Ende einer politische­n Epoche, der Zusammenar­beit von SPÖ und ÖVP?

Das hat man auch früher gemeint. Aber diesmal scheint der Riss tatsächlic­h tiefer zu gehen. Ich habe den Eindruck, dass da eine Vertrauens­krise entstanden ist, die sich gewaschen hat.

SN: Dass ein früherer Grüner als Bundespräs­ident wahrschein­lich eine Regierung wird angeloben müssen, der die FPÖ angehört, ist ein Treppenwit­z, den Sie sich gern erspart hätten, oder?

Ich spekuliere nicht über den Ausgang der Wahlen, geschweige denn über die Zusammense­tzung der nächsten Regierung. Die Erfahrung zeigt, die politische Welt ist, an der Börse würden man sagen, volatil geworden.

SN: Sie haben kürzlich gemeint, die Europapoli­tik sei für Sie eine rote Linie.

Ja, schon.

SN: Das heißt, Sie wollen keine europafein­dliche Partei in der Regierung. Reicht es, wenn FPÖ-Chef Strache sagt: „Wir sind alle Europäer“?

Nein, ich erwarte mir schon Verständni­s dafür, wie notwendig ein vereintes Europa insbesonde­re für

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